Høydepunktet i pontifikatet
Johannes Paul II. besiegelte bei seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land die Aussöhnung mit dem jüdischen Volk - Eine spirituelle Reise mit unkalkulierbaren politischen Auswirkungen - «Kathpress»-Analyse aus Jerusalem
Jerusalem, 26.3.00 (KAP) Die einwöchige Reise ins Heilige Land war für Johannes Paul II. - darin stimmen viele Beobachter überein - der Gipfelpunkt seines Pontifikats. Auf die Frage nach seinen weiteren Reiseplänen hatte der Papst Mitte der neunziger Jahre gemeint, er müsse noch das Heilige Land besuchen, denn die Pilgerfahrt in die Heimat Jesu sei das fehlende Glied, das seinen Pastoralreisen erst ihren letzten Sinn verleihe. Es war ein äußerst schwieriger Besuch in einer der politisch und religiös spannungsreichsten Regionen der Welt: Und doch gelang es Johannes Paul II. - wie der päpstliche Hausprediger Pater Raniero Cantalamessa am Sonntag in der RAI sagte - in einem Gebiet, das noch immer zutiefst von den Wunden des «Sechstagekriegs» von 1967 geprägt ist, trotz einiger Dissonanzen am Rande einen «Sechstagefrieden» zustande zu bringen, den in dieser Form viele nicht für möglich gehalten hatten. Der Papst konnte - weitgehend mit Erfolg - eine Vereinnahmung für die eine oder andere politische Option vermeiden.
Die Frage nach dem bleibenden Ertrag der Papstreise läßt sich noch nicht endgültig beantworten. Zweifellos hat Johannes Paul II. aber im Heiligen Land die Aussöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk besiegelt - und dem giftigen Erbe antijudaistischen und antisemitischen Denkens in der Kirche jeden Boden entzogen. Die bewegendste Station seiner Visite war denn auch zweifellos der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem - vor allem wegen der deutlichen Worte des Papstes, wegen der Vergebungsbitte, wegen seiner tiefen Trauer über Hass und Verfolgung, die Juden durch Christen erleiden mussten. Das Entscheidende für das jüdisch-christliche Klima war, dass der Papst diese Rede am Mahnmal Yad Vashem hielt. Die Bestätigung durch Israels Ministerpräsident Ehud Barak, dass Johannes Paul II. mehr als jeder andere für die katholisch-jüdische Aussöhnung getan habe, ist mehr als nur eine persönliche Anerkennung. Die Begegnung mit überlebenden jüdischen Klassenkameraden aus Polen schlug zudem eine emotionale Brücke. Dass der Papst dann am Sonntag die Vergebungsbitte an das jüdische Volk nach frommem jüdischem Brauch in eine Ritze der Klagemauer schob, war eine letzte Bestätigung des neugewonnenen Verhältnisses zwischen Christen und ihren «älteren Brüdern».
Problematischer war der Dreier-Gipfel von Juden, Christen und Muslimen. Als Sensation muss bewertet werden, dass dieses Treffen überhaupt zu Stande kam und es dem Papst gelang, erstmals seit Gründung des Staates Israel einen Oberrabbiner und einen führenden geistlichen Repräsentanten der Muslime in Jerusalem zum gemeinsamen öffentlichen Auftritt und zum Händedruck zu bewegen. Dass dabei der islamische Scheich auf die freundlich vorgetragene Bemerkung des Rabbiners, Jerusalem sei die ewige Hauptstadt Israels, den gleichen Anspruch auch für die Palästinenser erhob, allerdings in aggressivem Ton, sorgte für Irritation. Auch die übrigen Aussagen des Scheichs waren eher ein politisches Manifest als ein geistiger Beitrag der Religionen zur Friedenssuche.
Ein wichtiger Schritt war diese Reise für die christliche Ökumene. Die Begegnung mit dem orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Diodoros I., fiel herzlich aus. Das Patriarchat von Jerusalem zählt zu jenen orthodoxen Teilkirchen, die dem ökumenischen Gespräch mit den Katholiken besonders skeptisch gegenüberstehen. Dieses Misstrauen hat tiefe geschichtliche Wurzeln. Um so bemerkenswerter war die Atmosphäre der Begegnung im orthodoxen Patriarchat auf dem Ölberg.
Zweifellos hat die Pilgerfahrt des Papstes auch unkalkulierbare politische und «massenpsychologische» Auswirkungen. Die TV-Bilder vom Papst in der Al-Aksa-Moschee und vom Papst an der Klagemauer könnten in der Vorstellungswelt der «Leute» wie ein «psychologisches Erdbeben» wirken. Johannes Paul II. versuchte, durch seine Appelle dem Nahost-Friedensprozess neue Impulse zu geben. Beide Seiten - Israeli wie Palästinenser - bemühten sich ihrerseits, den Papst von den jeweiligen Positionen zu überzeugen. Für die diplomatischen Kontakte zwischen dem Vatikan und Israel, die nach 40-jähriger Beziehungslosigkeit 1993 endlich normalisiert wurden, war der Papstbesuch eine Krönung, wenn auch noch nicht der Abschluss. In den Palästinenser-Gebieten dagegen wurde die Visite als eine vorweggenommene Anerkennung gewertet, was freilich nicht in der Absicht von Papst oder Vatikan lag. Manche Anzeichen und versteckte Botschaften sprechen dafür, dass die Pilgerfahrt des Papstes - wie frühere Nahost-Initiativen aus dem Vatikan - von den USA nicht übermässig goutiert wurde. Angesichts der eigenen Hegemonialansprüche kann man sich in Washington sichtlich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, dass es noch einen anderen «global player» gibt, hinter dem nicht militärische und wirtschaftliche Macht, sondern die Kraft des Geistes und des Gebets steht...
Im Zeichen des Gebets stand die Heiligland-Wallfahrt Johannes Pauls II. letztlich. Es war ein meditativer Pilgerweg auf den Spuren der Heilsgeschichte und der Erlösung - vom Berg Nebo über Jesu Geburtsstadt Bethlehem bis hin nach Jerusalem, dem Ort von Leiden, Tod und Auferstehung Christi. Gerade die ruhigen Stationen, das stille Gebet an den Heiligen Stätten des Christentums, aber auch der Besuch an der Klagemauer, gehörten zu den starken Momenten dieser Reise. Die Begegnung mit den Christen des Heiligen Landes mag insgesamt etwas zu kurz gekommen sein, aber immerhin wurde durch die Fernsehübertragungen in alle Welt deutlich, wie lebendig die heute arabisch sprechende Christenheit des Heiligen Landes ist. Für sie war der Besuch Johannes Pauls II. in jedem Falle eine Anerkennung und Rückenstärkung.
Kathpress