«Es geht nicht um Machtanspruch, sondern um Wahrheitsfrage»
Kardinal König: Aufregung um jüngstes Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation beruht auf «Missverständnissen» und «Missdeutungen» - Ökumenische Konsultationen wären nützlich gewesen
Wien, 8.9.00 (KAP) In dem jüngsten Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation «Dominus Iesus» gehe es nicht um einen «Machtanspruch», sondern um die «Wahrheitsfrage», betonte Kardinal Franz König am Freitag bei einer Buchpräsentation in Wien. Die Aufregung um das Dokument beruhe auf «Missverständnissen» und «Missdeutungen». Er wolle der Glaubenskongregation keine Ratschläge geben, aber es wäre sicher besser gewesen, ein Dokument, in dem es um eine zentrale Glaubensfrage geht, auf ökumenischer Ebene «abzusprechen und vorzubereiten».
Die Glaubenskongregation habe sicher «zu Recht» den Eindruck, dass es in der öffentlichen Diskussion über religiöse Themen Tendenzen zu einer «Nivellierung» der Bedeutung Jesu gebe. Mit der neuen Erklärung habe die Kongregation deshalb versucht, der Nivellierungstendenz Einhalt zu gebieten. Es gehe um die zentrale Frage: «Wer ist Jesus Christus? Ist er ein Mensch wie alle anderen oder Gottes Wort in Menschengestalt?» Im Grunde habe die Kongregation in der Erklärung, in der die Universalität der Person Jesu betont werde, auch «nichts Neues gesagt», sondern nur bekannte Positionen wiederholt. Die Erklärung stehe auf der Grundlage der Konzilserklärung zu den Weltreligionen, «Nostra Aetate», so König weiter.
Das Problem liegt für Kardinal König nicht im Inhalt der Erklärung, sondern in der Art der Präsentation. Es habe jetzt «Aufregung» gegeben, aber der interreligiöse und der ökumenische Dialog blieben auch in Zukunft ein zentrales Thema. Es sei Porzellan zerschlagen worden, aber es werde trotz der Scherben «weitergehen». «Wir müssen uns überlegen, auf welche Weise in Zukunft das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen thematisiert werden soll», sagte König. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, als würden Haltungen gepflegt, wie sie für den Kolonialismus des 19. Jahrhunderts kennzeichnend waren. Respekt vor anderen Religionen könne zu einer Vertiefung des christlichen Glaubens beitragen.
«Innerchristliches Dokument»
Als «innerchristliches Dokument» bezeichnete Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg am Freitag bei der Buchpräsentation die Erklärung. Es seien «alte Quellen neu zitiert worden», aber keine Neuigkeiten erklärt worden. «Bei uns hält sich die Aufregung in Grenzen», so Eisenberg. Die Glaubenskongregation habe die Aufgabe, «Ordnung im eigenen Haus zu halten», das sei durchaus verständlich.
Gleixner äußert «Bedauern»
Die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Oberin Christine Gleixner, sagte gegenüber der Tageszeitung «Die Presse», sie nehme das Vatikan-Dokument «mit Bedauern zur Kenntnis». Gleixner: «Das ist ein Schock. Man hat einen 35-jährigen Prozess völlig ausgeklammert». In dieser Zeit habe man in Gesprächen mit den anderen Kirchen die Erfahrung gemacht, dass das Wirken des Heiligen Geistes in diesen erfahrbar werde. Für den Ökumenischen Rat komme das Dokument jedenfalls «völlig überraschend». Wie Gleixner sagte, habe es in der Ökumene in Österreich «niemals oberflächliche Harmonisierungsversuche» gegeben: «Wir vereinnahmen einander nicht, wir wissen um unsere Differenzen.»
Kathpress