Rom und Orthodoxie demonstrieren Gemeinsamkeit

Papst überrascht mit der Vergebungsbitte von Athen - "Kathpress"-Korrespondentenbericht aus Athen von Johannes Schidelko =

Athen, 5.5.01 (KAP) Papst Johannes Paul II. hat wieder einmal alle überrascht, Kritiker wie Bewunderer. Mit seinem 24-stündigen Besuch in Griechenland, der Hochburg einer selbstbewussten und nicht gerade Rom-freundlichen Orthodoxie, hat er mehr bewegt oder zumindest angestoßen, als man vor wenigen Wochen ahnen konnte. Und mit seinen kritischen Aussagen zu Kreuzzügen und Unierten ist er auch gleichsam über vatikanische Schatten gesprungen.

"Vor zwei Monaten galt ein Papstbesuch in Griechenland noch als undenkbar, vor sechs Wochen als nicht realisierbar, und heute haben wir eine gemeinsame Erklärung", resümiert Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls. Der Papst habe einmal mehr gezeigt, dass er Geschichte nicht geschehen lasse, sondern gestaltend in sie eingreife.

Der Begriff von der "historischen" Reise wird erneut gebraucht - und hier sicher zu Recht. Nicht ohne Grund nannte der griechische Staatspräsident Konstantinos Stephanopoulos den Besuch einen "Meilenstein" in den Beziehungen zum Vatikan, und das orthodoxe Kirchenoberhaupt Christodoulos sprach sprach von einem "Grundstein" für künftige Fortschritte.

Es war der erste Besuch eines römischen Papstes in Griechenland seit 1.300 Jahren, und Johannes Paul II. hat ihn auf beeindruckende Weise bewältigt. Die Spaltung zwischen Ost- und Westkirche wird im Land der Hellenen stärker empfunden als anderswo. Die Bindung an Konstantinopel, das lange unumschränktes Zentrum der Orthodoxie war, ist besonders stark, und das Trauma des Vierten Kreuzzugs 1204 mit der brutalen Stürmung der Bosporus-Metropole gilt hier weiterhin als Inbegriff von Entartung und Barbarei.

Die Vorbehalte gegenüber Papst, Rom und katholischer Kirche sind groß. In den vergangenen Wochen entluden sie sich in mehreren Demonstrationen. Zum Papstbesuch protestierten noch einmal 50 religiöse Eiferer am Fuß der Akropolis gegen den "Feind aus Rom".

Doch der Papst ließ sich von feindseligen Äußerungen nicht beeindrucken. In aller Offenheit sprach er die dunklen und schmerzhaften Themen der Vergangenheit an. Es sei "tragisch", dass jener Kreuzzug in der Plünderung und Zerstörung von Konstantinopel mündete, bei der lateinische Christen gegen ihre Glaubensbrüder vorgingen. Diese Kontroversen und Erinnerungen "können und müssen in einem Geist der Liebe" überwunden werden. "Für frühere und heutige Vorgänge, in denen "Söhne und Töchter der katholischen mit Aktionen oder Unterlassungen gegen ihre orthodoxen Brüder und Schwestern gesündigt haben: möge Gott uns Vergebung gewähren, um die wir ihn bitten", so der Pontifex.

Die Vergebungsbitte von Athen ist eine Fortsetzung des Weges, den der Papst im Heiligen Jahr eingeschlagen hat mit seiner Vergebungsbitte vor einem Jahr in Rom und mit seinen Worten gegenüber den Juden bei seinem Besuch in Israel. Es ist keine pauschale Selbstbezichtigung für frühere Fehler der Kirche als Institution. Es geht vielmehr um die Schuld von sündigen Menschen, von Mitgliedern der Kirche, einzeln und im Kollektiv, für die der Papst im Namen der Kirche um Vergebung bittet. Das Bewegende war, dass er diese Bitte an der richtigen Stelle, in Athen, vor den Nachfahren der Betroffenen, aussprach.

Daneben ging Johannes Paul II. in seinen Athener Reden auch auf die von den Orthodoxen umstrittene Frage der Unierten ein. Man müsse die Modelle der Wiedervereinigung überprüfen, inwieweit sie noch dem neuen Ökumene-Verständnis entsprächen, meinte er.

Theologische Streitfragen dagegen hatten in den öffentlichen Reden keinen Platz. Hier blieb der Papst mehr im Allgemeinen, er beschwor die weitgehenden Gemeinsamkeiten und klammerte Reizthemen wie das Petrusamt aus.

Die Offenheit des Papstes zu den Sünden der Vergangenheit blieb nicht ohne Wirkung. Die anfängliche Anspannung unter den Gesprächspartnern ließ rasch nach, wie die freundlichen Gesichter der Kardinäle und Metropoliten bei den Begegnungen folgern ließen. Und nach anfänglich sichtbaren "Berührungsängsten" schien es für Metropolit Christodoulos nach einigen Stunden fast selbstverständlich, dass er den gehbehinderten Pontifex aus Rom immer wieder stützte.

Höhepunkt war dann der gemeinsame öffentliche Auftritt am Areopag. An der Stelle der berühmten Rede des Apostels Paulus demonstrierten das katholische Rom und das orthodoxe Athen Gemeinsamkeit. In einer Sechs-Punkte-Erklärung beschworen sie die Einheit Europas - auf der Grundlage seiner christlichen Tradition - und prangerten etliche Fehlentwicklungen an. Mit Nachdruck verurteilten sie gemeinsam Gewalt und Fanatismus im Namen der Religion sowie Proselytismus.

Es wird sich zeigen, ob das neue Klima nur Ergebnis einer Besuchssituation ist. Vielleicht gingen die päpstlichen Äußerungen und Gesten in Athen manchem Katholiken zu weit. Doch möglicherweise hat Johannes Paul II. mit dem über weite Strecken improvisierten Kurzbesuch über den Tag hinaus neue Anstöße zum schwierigen Kontakt mit der griechischen Orthodoxie gegeben. (Schluss)

K200102817
5. mai 2001

av Webmaster publisert 05.05.2001, sist endret 05.05.2001 - 11:53