Polenreise mit konzentriertem Programm
Der Besuch des Papstes in der Heimat ist mehr als bloße Nostalgie - Seligsprechung eines Warschauer Erzbischofs aus der Zeit der russischen Herrschaft
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Vatikanstadt-Warschau, 14.8.02 (KAP) Papst Johannes Paul II. reist an diesem Freitag in seine südpolnische Heimat nach Krakau. Anders als bei den meisten früheren Polenbesuchen will sich der 82-jährige Papst dieses Mal auf ein begrenztes Programm konzentrieren. Die Weihe der Kirche der Göttlichen Barmherzigkeit in Lagiewniki am Samstag, eine Messe mit Seligsprechungen am Sonntag und am Montag ein Gottesdienst in Kalwaria Zebrzydowska - mehr lange Auftritte soll es bei dieser Reise nicht geben. Die größtmögliche Schonung des Papstes diktiert das Programm in allen Details. Selbst die Treffen mit Staatspräsident Aleksander Kwasniewski und Regierungschef Leszek Miller wurden so arrangiert, dass Johannes Paul II. sich nicht unnötig anstrengen muss: Er empfängt beide an seinem früheren Wohn- und Amtssitz, im erzbischöflichen Palais in Krakau. Daneben bilden zwei private Termine, nämlich der Besuch an den Gräbern der Familie, ein Gebet in der Wawel-Kathedrale sowie möglicherweise ein Hubschrauberflug über den Geburtsort Wadowice die nostalgisch-emotionalen Höhepunkte der kurzen Reise.
In Krakau laufen trotz des reduzierten Programms die Vorbereitungen ebenso auf Hochtouren wie bei früheren Papstreisen. Während Handwerker in Sonderschichten die Altarpodien für die Freiluft-Gottesdienste zusammenzimmern, wetteifern die polnischen Zeitungen seit Wochen um die umfassendste Vorberichterstattung zum Großereignis des Jahres. Jedes Detail wird berichtet, wobei die polizeilichen Hinweise über Straßensperren und Sonderparkplätze besonders breiten Raum einnehmen. Die Polen sind mittlerweile geübt im Organisieren von Menschenmassen bei Papstreisen. Doch da sich diesmal nach Polizeischätzungen mehr als vier Millionen Pilger in wenigen Tagen auf kleinem Raum drängen werden, sind die Probleme noch etwas größer als bei den anderen Besuchen des berühmtesten lebenden Polen.
Die Polnische Bischofskonferenz klärte im Rahmen der Vorberichterstattung auch endlich die bislang ungelöste Frage, um den wievielten Papstbesuch in Polen es sich bei dieser 98. Auslandsreise Johannes Pauls II. handelt. Während die offiziösen Vatikanmedien von der achten Polenreise des Papstes sprechen - sie fassen die beiden Reisen im Juni und August des Jahres 1991 rechnerisch zu einer einzigen zusammen - lehnt die Bischofskonferenz diese Zählweise ab. Sie besteht darauf, dass der Papst in dieser Woche zum neunten Mal sein Heimatland besucht. Das tut auch dem nationalen Stolz gut, denn mit neun Papstbesuchen liegt Polen jetzt mit großem Abstand vor den USA (sieben) und Frankreich (sechs).
Verhältnismäßig wenig erfahren die Polen in diesen Tagen von den inhaltlichen Aspekten der Reise unter dem religiösen Motto "Gott, der voll Erbarmen ist". Das liegt auch daran, dass die Botschaft der Göttlichen Barmherzigkeit, der der Papst in der Frühzeit seines Pontifikats eine eigene Enzyklika gewidmet hatte, den meisten im Land längst vertraut ist. Durch die Mystikerin Faustyna Kowalska (1905 - 1938) ist diese besondere Art der Frömmigkeit in Polen populär geworden. Wenn der Papst sie nun erneut in den Mittelpunkt seiner Predigten stellt, greift er ein bekanntes Thema auf. Spannend ist jedoch die Frage, wie er es vor dem Hintergrund gegenwärtiger Krisen und Konflikte neu interpretieren wird.
Angesichts der eingetrübten polnischen Wirtschaftslage und der sich zuspitzenden Diskussion um den EU-Beitritt sind neben religiösen auch sozialkritische Aussagen des Papstes nicht ausgeschlossen. Und natürlich ist auch die Seligsprechungs-Messe in Krakau keineswegs unpolitisch: Mit dem Warschauer Erzbischof Zygmunt Felinski (1822 - 1895) erhebt der Papst einen Bischof zur Ehre der Altäre, der ein besonderes Kapitel der bis heute nicht ganz einfachen Beziehungen zwischen Polen und Russland repräsentiert. Felinski wurde nach dem Warschauer Aufstand gegen die russische Herrschaft im Jänner 1863 an die Wolga verbannt. Dort trieb er bis 1883 die Seelsorge unter den Katholiken in Russland kräftig voran. Der neue Selige trug wesentlich zum Aufbau der bis heute vom Moskauer Patriarchat argwöhnisch beäugten römisch-katholischen Präsenz auf russischer Erde bei. Vor dem Hintergrund der aktuellen diplomatischen Krise zwischen dem Vatikan und Russland um die Ausweisung des polnischen Bischofs Jerzy Mazur aus Russland hat die Seligsprechung Felinskis mehr als nur historischen Charakter.
K200205798
14. august 2002