Aleksij bekräftigt grundsätzliche Bereitschaft zu Begegnung mit Johannes Paul II., wenn Lösungen für bilateralen Konflikt zwischen russischer Kirche und dem Vatikan ausverhandelt ist
Moskau, 28.6.02 (KAP) Der Moskauer orthodoxe Patriarch Aleksij II. hat seine grundsätzliche Bereitschaft zu einem Treffen mit Papst Johannes Paul II. bekräftigt; vorher müssten aber die Probleme zwischen der russischen Orthodoxie und dem Vatikan gelöst werden. "Manche Leute versuchen uns zu überzeugen, dass die Tatsache eines solchen Treffens allein schon hilfreich wäre. Aber die Reise des Papstes in die Ukraine hat gezeigt, dass ein Treffen unter den gegenwärtigen Bedingungen nichts zur Lösung der aufgestauten Probleme beitragen würde und die Gefahr noch größerer Spannungen in der Gesellschaft birgt", sagte Aleksij in einem Interview mit der Moskauer Zeitung "Iswestja".
"Papst selbst ließ Treffen bei Wien platzen"
Auf die Frage, ob nicht doch ein Treffen auf neutralem Boden ausverhandelt werden könnte, stellte der Patriarch fest, eine solche Begegnung hätte 1997 in Österreich stattfinden sollen. Die Vorbereitungsarbeiten seien bereits "weit gediehen" gewesen; es seien bereits Schlussdokumente ausgearbeitet gewesen, "die für die Zukunft der orthodox-katholischen Beziehungen äußerst wichtig gewesen wären". Das Treffen sei schließlich geplatzt, "weil der Papst persönlich die Frage der Beziehungen zwischen der orthodoxen und der griechisch-katholischen Kirche in der Westukraine aus dem unterschriftsreifen Dokument gestrichen hat", so die Angabe Aleksijs.
In dem Interview wiederholt der Moskauer Patriarch die massiven Vorwürfe seiner Kirche gegen die Tätigkeit der katholischen Kirche in Russland und anderen GUS-Staaten. Die katholische Seite verletze allgemein akzeptierte Regeln in den Beziehungen zwischen den Kirchen; dies Beziehungen sollten geprägt sein von gegenseitigem Respekt und der Bereitschaft, die Interessen des anderen zu berücksichtigen.
Die Errichtung katholischer Diözesen in Russland habe der Vatikan ohne vorherige Konsultation und Verhandlung mit der russischen Orthodoxie vorgenommen, dies sei ein "unfreundlicher Akt" gewesen, so Aleksij weiter. Ein Land mit tausendjähriger orthodoxer Tradition habe so den "zwiespältigen" Status einer vatikanischen "Kirchenprovinz" bekommen.
Für Anerkennung "kanonischen Territoriums"
Die Idee eines "kanonischen Territoriums", die von Moskau verfochten und vom Vatikan abgelehnt wird, sei nicht "dogmatischer", sondern historischer und kirchlich-gesellschaftlicher Natur, sagte der Patriarch weiter. Es gebe unleugbar Länder, die traditioneller Weise mehrheitlich katholisch oder orthodox sind, und das sei Teil der Realität des spirituellen und religiösen Lebens der Menschen. Das Argument des Vatikans, dass in mehrheitlich katholischen Ländern die orthodoxe Kirche ihrerseits über Diözesen verfüge, greife nicht, da sich diese nur um ihre dort lebenden Gläubigen kümmerten. Dementgegen gebe es in Russland das Problem des "Proselytismus" (der Abwerbung von Gläubigen anderer Konfessionen), wie ihn die katholische Kirche praktiziere, so Aleksij.
Er wies erneut das Argument der Katholiken zurück, sie missionierten in Russland nicht unter orthodoxen Gläubigen, sondern unter religiös nicht sozialisierten Menschen. Entgegen diesen Behauptungen sei bereits eine Reihe von orthodoxen Gläubigen zum Katholizismus konvertiert, weil diese Menschen wenig Kenntnis über die Unterschiede zwischen den beiden Konfessionen hätten oder "in einer materiellen Notlage waren". Insgesamt sei die Zahl der Katholiken in Russland in den vergangenen zehn Jahren deutlich gewachsen. Dennoch habe die orthodoxe Kirche "keine Angst" vor dieser Entwicklung, da die meisten Gläubigen in Russland den "Glauben ihrer Väter" nicht aufgeben.
Seine Kirche sei grundsätzlich dagegen, "Ideologie und Begrifflichkeit des Marktes und des Wettbewerbs in die inter-konfessionellen Beziehungen zu bringen", hob der Patriarch hervor. "Unser einziges Ziel sind konstruktive Beziehungen in gegenseitigem Respekt mit der römisch-katholischen Kirche", so Aleksij. Tatsache sei, dass die russische Orthodoxie zu einzelnen katholischen Diözesen, Klöstern, Caritaseinrichtungen, Schulen und auch Gläubigen ein gutes Verhältnis pflege und mit diesen zusammenarbeite.
Eine Begegnung mit dem Papst von Rom könne dann stattfinden, wenn eine gemeinsame Position in den wesentlichen Fragen der gegenseitigen Beziehungen gefunden ist: Nein zum Proselytismus in all seinen Formen, Unzulässigkeit des Modells der "unierten" Kirchen, Anerkennung des Prinzips des "kanonischen Territoriums" und dessen strikte Beachtung. Als allererstes müsse der Konflikt zwischen der griechisch-katholischen und der orthodoxen Kirche in der Westukraine befriedet werden, der bereits drei orthodoxe Diözesen - Lemberg, Ternopol und Iwano-Frankiwsk - faktisch ausgelöscht habe.
Kathpress
28. juni 2002