Zehn Jahre nach dem Mauerfall: Papst in der Ex-UdSSR
Besuch Johannes Pauls II. in Georgien hat in mehrfacher Hinsicht historische Qualität -"Kathpress"-Korrespondentenbericht aus Tiflis von Johannes Schidelko
Tiflis, 9.11.99 (KAP) Zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer hat Papst Johannes Paul II. zum zweiten Mal den Boden der einstigen kommunistischen Weltmacht Sowjetunion besucht (der erste Besuch hatte Litauen gegolten). In Georgien erinnerte er am Montag an das historische Datum und das Ende des Kommunismus - zu dem er selbst auch beigetragen hatte. Möge diese Erinnerung eine Brücke zwischen den Nationen, Religionen und Kulturen schlagen, lautete seine bewegende Botschaft. Zugleich würdigte der Papst die Verdienste seines Gastgebers, des früheren sowjetischen Außenministers Edward Schewardnadze, der neben Michail Gorbatschow die Wende ermöglicht hatte - und heute Präsident der Kaukasus-Republik ist.
Der georgisch-orthodoxe Patriarch Elias II. holte die Festredner jedoch in die Gegenwart zurück: Er erwarte sich vom Papstbesuch vor allem einen Beitrag zum Frieden für die krisengeschüttelten Kaukasus-Region, sagte das Oberhaupt von fünf Millionen Orthodoxen.
Keine 200 Kilometer von der Kampfzone in der russischen Teilrepublik Tschetschenien entfernt bestimmten zunächst historische Erinnerungen an das Ende des Kommunismus die Szene. Die atheistische Ideologie habe es nicht geschafft, den christlichen Glauben auszulöschen und zwar trotz aller Verfolgung, betonte der Papst auf dem Flughafen von Tiflis: "Heute danken wir für das Zeugnis und die Beharrlichkeit". Auch Schewardnadze, 1992 zum Christentum bekehrt, verwies auf das Überleben der Religion im Totalitarismus. Er freue sich über den "historischen Besuch des Papstes", sagte der Präsident und äußerte die Erwartung, dass sein Land eine "geistige Erneuerung" erlebe - und einen engeren Anschluss an Europa.
Nach der schwülen Hitze von New Delhi traf Johannes Paul II. bei wenigen Graden über Null auf dem Flughafen von Tiflis ein. Zur Begrüßung war entgegen dem Protokoll nicht nur der Staatschef Elias II. Beide rahmten den Gast aus Rom auf der Ehrentribüne ein. Bei der Begrüßung wurde der protokollarische Glanz eines Staatsbesuchs entfaltet, hunderte geladene Gäste applaudierten dem Papst. Ganz anders als in der indischen Hauptstadt, die vom Papst kaum Notiz nahm, säumten tausende Menschen die Straßen vom Flughafen in die malerisch gelegene Innenstadt von Tiflis mit ihren alten Häusern und Turm-Kirchen. Und Transparente hießen den hohen Gast willkommen.
Im Mittelpunkt des ersten Besuchstages des Papstes in Georgien stand nach der "politischen" Begrüßung ein Treffen mit dem georgischen Patriarchen. Zum zweiten Mal war der katholische Papst zu Besuch in einem mehrheitlich orthodoxen Land. Freilich bleibt die Reise im Schatten der Rumänien-Visite, wo Johannes Paul II. vergangenen Mai von der orthodoxen Kirchenspitze mit großer Herzlichkeit und von den Menschen auf der Straße mit einem triumphalen Empfang begrüßt wurde. Das sollte hier anders sein. Die Kontakte zwischen dem Vatikan und der georgischen Kirche sind noch nicht so eng wie etwa mit der rumänischen Orthodoxie. Ein gemeinsames Gebet von Papst und Patriarch war hier noch nicht möglich. Dennoch wollten beide den Wunsch nach mehr Dialog und Zusammenarbeit bekräftigen, mit dem Ziel, zur vollen christlichen Einheit zu gelangen.
Die Reise ist eine neue Kontaktaufnahme des Vatikan mit der Orthodoxie. Allerdings ist für den Papst aus Polen, auch zehn Jahre nach dem Fall der Mauer, der Weg ins Zentrum der einstigen kommunistischen Weltmacht, nach Moskau, noch weit. (Ende)
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KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste)