Die Besuche in Indien und Georgien waren für Johannes Paul II. eine Gratwanderung - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko
Tiflis, 10.11.99 (KAP) Trotz seiner 79 Jahre hat Papst Johannes Paul II. in diesen Tagen eine der schwierigsten Reisen seines Pontifikats unternommen. Dass der Pontifex beim Klimawechsel von dem drückend-heißen Indien in den eiskalten Kaukasus an die Grenzen seiner physischen Kräfte kam, haben die Fernseh-Kameras gezeigt. Er habe sich von dem Kälteschock jedoch wieder erholt, wie sein Sprecher versicherte.
Mit seiner Asienreise - einer der wenigen seines Pontifikats in diese Weltgegend - hat Johannes Paul II. sich enormen Aufgaben und Herausforderungen gestellt. Zum einen gab er den Startschuss für neue Missionierungsanstrengungen in Asien, auf einem Kontinent mit bedeutenden alten Religionen, neben denen das Christentum sich bisher nur schwer behaupten konnte. Zwischen den Göttern Indiens, dem Weg Buddhas und fernöstlichen Weisheitslehren hat sich die christliche Lehre noch kaum inkulturieren können, obwohl sie in Westasien ihren Anfang genommen hat.
Der Auftrag zur Missionierung in Asien erfolgte zudem zu einer Zeit, in der die Toleranz und Akzeptanz für andere Denkrichtungen und Glaubenswege zurückgegangen sind. So breitete sich gerade in Indien in den vergangenen Jahren ein hinduistischer Fundamentalismus aus. Eine Gratwanderung also für den Papst, um nicht neue Animositäten gegenüber den 16 Millionen Katholiken Indiens zu entfachen, damit ihre erfolgreiche Sozial- und Bildungsarbeit nicht noch mehr staatlich reglementiert, von Fanatikern boykottiert oder gar blockiert wird; ganz abgesehen von Beleidigungen, tätlichen Angriffen bis hin zum Mord.
In Georgien war die Aufgabe kaum weniger schwierig. Hier ging es um die Einheit der Christen - ein Traum des Papstes an der Schwelle zum dritten Jahrtausend. Ein erster Anlauf im Kontakt mit der Orthodoxie war vor wenigen Monaten in Rumänien vielversprechend verlaufen. Bei den orthodoxen Georgiern war das Klima deutlich rauer. Allerdings haben im hochsensiblen ökumenischen Dialog Nuancen und Gesten eine große Bedeutung. Die Tatsache, dass Patriarch Ilia II. den römischen Papst gegen Widerstände in den eigenen Reihen eingeladen hat, dass er zur Begrüßung auf den Flughafen kam, dass er ihn in seinen Patriarchatssitz und zum Heiligen Synod einlud, und dass er schließlich mit ihm einen gemeinsamen Friedensappell veröffentlichte, war im Kontakt zur Orthodoxie bisher schwer vorstellbar. Dennoch wäre es verfrüht, von einem weiteren Durchbruch zu sprechen.
Nicht zu vergessen ist der weltpolitische Aspekt dieser Reise, der für den Papst wie ein später Sieg erscheint. Genau am 10. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer besuchte ein Papst zum ersten Mal das Heimatland Stalins. Johannes Paul II., der maßgeblich zum Ende der kommunistischen Diktatur beigetragen hat, traf hier mit dem Wende-Architekten der Gegenseite zusammen, dem früheren sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse. Der Papst und der inzwischen vom Kommunisten zum Christentum bekehrte Staatschef Georgiens würdigten gegenseitig ihren Beitrag zur Veränderung der Weltgeschichte. Allerdings ist für Johannes Paul II. der Weg nach Moskau, zu einem Besuch beim orthodoxen Patriarchen, auch durch die Etappe in Tiflis nicht näher gerückt.