Kirche wird die Texte des sogenannten «dritten Geheimnisses» nicht in den Rang einer mit der Bibel gleichwertigen göttlichen Offenbarung erheben
Vatikanstadt, 16.5.00 (KAP) Die Ankündigung, dass die römische Glaubenskongregation demnächst den Text des «dritten Geheimnisses» von Fatima mit einem Kommentar veröffentlichen wird, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Es gibt innerkirchlich vielerorts Erleichterung, dass nun die Spekulationen um angebliche Weltuntergangs-Termine aus dem Mund der Muttergottes ad acta gelegt werden können. Doch es kommen auch besorgte Fragen auf, welchen theologischen Stellenwert die Visionen der Hirtenkinder von Fatima haben.
Nach den Äußerungen von Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano, der die Enthüllungen verkündete und zugleich erste Details aus dem «dritten Geheimnis» bekannt gab, ist jedoch eines klar: Der Vatikan ist in der Bewertung der Visionen vorsichtig. So sagte Sodano, der Schutz der Muttergottes für den Papst beim Attentat von 1981 «scheint den sogenannten dritten Teil des Geheimnisses von Fatima zu berühren». Davon, dass die Madonna die Schüsse Ali Agcas auf Johannes Paul II. präzise vorhergesagt habe, kann also keine Rede sein, auch wenn in den Visionen der Hirtenkinder das Bild eines in weiß gekleideten Bischofs enthalten ist, der von Schüssen getroffen wie tot zusammenbricht.
Sodano betonte, die Vision von Fatima könne nur «symbolisch» gelesen werden. Sie betreffe vor allem den Kampf der atheistischen Systeme gegen die Kirche und das Leiden der Glaubenszeugen im 20. Jahrhundert. Insofern ist ihre literarische Form der «Offenbarung des Johannes» im Neuen Testament nicht unähnlich, in der ebenfalls die Christenverfolgung der damaligen Zeit in Form symbolischer Visionen zur Sprache kommt. Dass die Kirche deshalb die Texte von Lucia dos Santos in den Rang einer mit der Bibel gleichwertigen göttlichen Offenbarung erheben könnte, scheint jedoch ausgeschlossen, wird in Rom betont.
Kathpress