Wien, 6.5.01 (KAP) Die "historische Bedeutung" des Besuches von Papst Johannes Paul II. in Griechenland hat der Wiener griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos am Sonntag im ORF-TV-Magazin "Orientierung" unterstrichen. Die Vergebungsbitte des Papstes für die Taten der Kreuzritter bei der Eroberung von Konstantinopel 1204, aber auch die Infragestellung des Einheitsmodells der "unierten" Kirchen seien überall in der orthodoxen Welt mit "grosser Genugtuung" aufgenommen worden, unterstrich Staikos.
Die Aufmerksamkeit dürfe sich aber nicht nur auf den "Kreuzzug" von 1204 konzentrieren; Fehler zu Lasten der Orthodoxen habe es auch später gegeben, zuletzt in den Kriegen der neunziger Jahre auf dem Balkan, erinnerte Staikos. Auf die Frage, ob der Papstbesuch ein "Ende der Eiszeit" zwischen orthodoxer und katholischer Kirche bedeute, meinte der Metropolit, eine "Eiszeit" gebe es schon seit der Aufhebung der wechselseitigen Exkommunikationen am letzten Tag des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965 nicht mehr. Man könne nur hoffen, dass die Vergebungsbitte des Papstes nicht von "vatikanischen Kreisen" torpediert werde. Für das Verhältnis zwischen der Kirche von Rom und der Kirche von Griechenland sei durch den ersten Papstbesuch im Land seit 13 Jahrhunderten aber tatsächlich eine neue Seite aufgeschlagen worden.
Der Wiener Metropolit übte entschiedene Kritik an den von der Medienberichterstattung transportierten Bildern: Man dürfe die Tatsache nicht überbewerten, dass es in Athen einige Proteste gegen den Papstbesuch gegeben habe. "1.800 Demonstranten in einer Stadt mit fünf Millionen Einwohnern sind ein minimaler Ausdruck demokratischer Meinungsfreiheit", sagte Staikos wörtlich. Die Proteste hätten praktisch keine Bedeutung gehabt, bei den meisten Demonstranten habe es sich um Angehörige traditionalistischer oder sogar schismatischer Gruppen ("Altkalendarische Kirche") gehandelt, die mit der offiziellen orthodoxen Kirche von Griechenland nichts zu tun haben. In den Medien des Westens sei negativen Begleiterscheinungen zu viel Aufmerksamkeit gewidmet worden, dagegen habe man "fast nichts von der positiven Entwicklung" gezeigt. (Ende)
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6. mai 2001