Der Kongress in Peking über den Jesuitenmissionar Matteo Ricci könnte festgefahrene Beziehungen wieder in Gang bringen
Peking, 11.10.01 (KAP) Ein versteckter Friedhof in Peking könnte zum Schauplatz einer Wiederannäherung zwischen China und dem Vatikan werden. Am Wochenende wollen sich Wissenschaftler aus aller Welt in der chinesischen Hauptstadt treffen, um der Missionsarbeit des italienischen Missionars und Jesuitenpaters Matteo Ricci (1552-1610) im Reich der Mitte zu gedenken. Ricci erhielt vor 400 Jahren - 1601 - von Kaiser Wan Li die Erlaubnis, sich in der "Verbotenen Stadt" Peking niederzulassen und dort das Evangelium zu verkünden.
Zwei hochrangige Bischöfe aus dem Vatikan werden zur Feier am Grab des Missionars ebenso erwartet wie Vertreter der kommunistischen Partei Chinas - vielleicht die Chance für einen Neubeginn. Im Gegenzug soll der Bischof von Peking, Michael Fu Tieshan, Ende Oktober an einem Kongress über Ricci in Rom teilnehmen.
Die Einladung gilt deshalb als außergewöhnlich, weil Bischof Fu zu der vom Regime anerkannten "patriotischen Kirche" gehört. Laut gut informierten kirchlichen Kreisen soll der Papst in seiner Grußbotschaft an den Kongress die Fehler der Kirche in China eingestehen. Diese Art des Schuldbekenntnisses werde von China als Voraussetzung für bessere Beziehungen zur katholischen Kirche angesehen, heißt es.
Nach der Machtübernahme der Kommunisten in China 1950 wurde den Katholiken jeglicher Kontakt zu Rom verboten. Freie Religionsausübung war und ist nur denjenigen Gläubigen gestattet, die sich der 1951 gegründeten regimenahen "Chinesischen Katholischen Patriotischen Vereinigung" anschlossen. Zahlreiche Bischöfe, Priester und Ordensleute wurden des Landes verwiesen, in Arbeitslager oder Gefängnisse gesteckt oder sogar umgebracht.
Die "patriotische" Kirche wird streng vom Staat überwacht, Leitungsfunktionen werden nur regimefreundlichen Katholiken übertragen. Inzwischen hat der Vatikan jedoch einige Bischöfe der "patriotischen Kirche" anerkannt, und Stimmen mehren sich, die vom beiderseitigen Willen zu einer Normalisierung sprechen. China lehnt jedoch nach wie vor jegliche Einflussnahme des Vatikan etwa bei Bischofsernennungen ab. Außerdem verlangt Peking, dass der Heilige Stuhl Taiwan die diplomatische Anerkennung entzieht. China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz.
Die Zahl der "romtreuen Katholiken" wird, ebenso wie die der "patriotischen" Katholiken, auf vier bis fünf Millionen geschätzt. Bis in die jüngste Zeit gab es neben Phasen einer möglichen Wiederannäherung immer wieder regelmäßige Verfolgungswellen gegen die "Romtreuen". Ein neuer Tiefpunkt wurde Anfang Jänner 2000 erreicht, als fünf chinesische Bischöfe ohne Erlaubnis des Vatikan ernannt wurden - ein Affront für den Heiligen Stuhl. Nur zehn Monate später verärgerte der Vatikan Peking mit der Seligsprechung von 120 chinesischen Märtyrern. Seitdem sind die ohnehin unterkühlten, unregelmäßigen und informellen Kontakte der Vorjahre einem eisigen Schweigen gewichen.
Ricci verstand Mentalität der Chinesen
Der Kongress über den Jesuitenmissionar Ricci könnte nach Meinung von Experten einen neuen Anknüpfungspunkt für die festgefahrene Situation bilden. Ricci ist bis heute in China hoch geschätzt. Er gilt als einer der wenigen Intellektuellen aus dem Westen, der die chinesische Mentalität zutiefst verstanden hat. Als erster machte er die Chinesen mit mechanischen Uhren bekannt. Kaiser Wan Li war so fasziniert von den Zeitmessern, dass er Ricci erlaubte, sich in Peking niederzulassen.
Der in Macerata geborene Sohn vornehmer Eltern war juristisch, philosophisch und theologisch bewandert, galt als hervorragender Astronom und Mathematiker. Als erster brachte er eine Weltkarte nach China. Durch seine gewinnende Persönlichkeit und sein phänomenales Gedächtnis, mit dem er immer wieder verblüffte, machte sich der Jesuit direkt nach seiner Ankunft 1583 rasch Freunde in China. 1585 konnte er bereits eine kleine Kirche bauen. Durch seine geschickte Diplomatie und sein umsichtiges Wesen gelang es Ricci mit Hilfe chinesischer Freunde, Anfeindungen zu überstehen und schließlich 1598 beim Kaiser Gehör zu erhalten. 1601 durfte er sich endgültig in Peking niederlassen, wo er bis zu seinem Lebensende 1610 erfolgreich wirkte.
Seine Missionsmethode war: Annäherung an den Konfuzianismus, diesen ergänzen und dann schließlich überwinden. 200 Jahre lang sollten die Jesuiten in China Erfolge haben; dann aber führten Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Orden einerseits und den Jesuiten und dem Vatikan andererseits zu einem Niedergang des Christentums in China, der nie wieder richtig überwunden wurde.
Wenn der Matteo-Ricci-Kongress in Peking am Wochenende tatsächlich die festgefahrenen Beziehungen zwischen China und dem Vatikan wieder in Gang zu bringen sollte, käme der Papst einem seiner Herzenswünsche näher: einem Besuch im Reich der Mitte. Ein Gebet am Grab Riccis, dem Pionier der modernen China-Mission, dürfte dann mit Sicherheit ganz oben auf dem Programm stehen.
Andere Stimmen äußern sich weniger optimistisch. "Riccis Geist kann in dieser schwierigen Angelegenheit zwar eine gute Inspiration sein. Aber ich fürchte, dass es zu viele politische Einschränkungen für einen großen Durchbruch gibt", meinte der Bischofs-Koadjutor von Hongkong, Bischof Joseph Zen. "Ich habe von keiner Annäherung gehört. Was auch immer passiert - es sollte vom Vatikan initiiert werden", sagte Liu Bainian, der Sprecher der "patriotischen Kirche" in Peking.
Kathpress
11. oktober 2001