"Apostolischer Besuch" am 22./23. Mai in einem der ältesten Zentren der europäischen Erdölindustrie ist unter historischen wie aktuellen Aspekten spannend
Vatikanstadt-Baku, 13.5.02 (KAP) Am 22. Mai trifft Papst Johannes Paul II. in der azerbaidschanischen Hauptstadt Baku zu einem kaum mehr als 24-stündigen Kurzbesuch ein. Der "apostolische Besuch" in der Millionenstadt am Kaspischen Meer - zugleich eines der ältesten Zentren der europäischen Erdölindustrie - ist unter historischen wie aktuellen Aspekten spannend. Einerseits erinnert der Papstbesuch an die - heute nur mehr Fachhistorikern geläufige - große christliche Vergangenheit des kaukasischen Landes; andererseits ist Azerbaidschan einer jener Nachfolgestaaten der Sowjetunion, in denen die praktische Verwirklichung der Religionsfreiheit nach wie vor zu wünschen übrig lässt. Und nicht zuletzt ist Azerbaidschan mit dem benachbarten Armenien seit der "Wende" in einen Krieg um die Provinz Arzach ("Berg-Karabach") verstrickt. Auch im Hinblick darauf hatte die Diplomatie Bakus darauf gedrängt, dass der Papst nach Georgien und Armenien auch Azerbaidschan besucht.
In Baku trifft der Papst zunächst mit Präsident Haidar Alijew zusammen, einem postkommunistischen Taktiker der Macht. Anschließend ist eine Begegnung mit führenden Wissenschaftlern, Künstlern und Intellektuellen Bakus vorgesehen. Am 23. Mai feiert Johannes Paul II. einen Festgottesdienst im Sportpalast der azerischen Hauptstadt und speist anschließend mit dem Salesianerpater Daniel Prawda, der die katholische Seelsorge in Baku leitet. Vor der Weiterreise nach Bulgarien ist ein interreligiöses Treffen mit dem orthodoxen Bischof Aleksander, dem Scheich-ulen-Islam Allahshukur Pashazade und dem Vorsitzenden der jüdischen Glaubensgemeinschaft, Semjon Ichijdow, angesetzt. Weil es in Baku noch keine katholische Diözesanstruktur gibt, logiert Johannes Paul II. in der kaspischen Metropole in einem kleinen Hotel, das zum Geschäftsimperium des Vorsitzenden des "Staatskomitees für die Beziehungen mit den Religionsgemeinschaften", Rafik Alijew, gehört. Alijew hat freilich nach seiner Amtsübernahme im Vorjahr beteuert, dass er sich von seinem geschäftlichen Engagement völlig getrennt habe.
"Hier ist der Islam tolerant"
Azerbaidschan unterhält volle diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl. Der britische Ost-Informationsdienst "Keston Institute" zitierte P. Prawda: "Der Papst kommt nach Baku, um seinen Respekt vor Azerbaidschan zu bekunden und die Bedeutung dieses Staates zu unterstreichen, wo Ost und West einander begegnen. Er wird das Klima der Toleranz und Demokratie würdigen, das hier existiert: Der Islam ist hier tolerant, es gibt keinen islamischen Fundamentalismus".
Die Toleranz könnte damit zusammenhängen, dass Azerbaidschan - insbesondere Baku und die Küstenzone - eine der säkularisiertesten Gegenden der alten Sowjetunion war. Zwar versuchten nach der "Wende" finanzstarke islamistische Organisationen aus Saudiarapien und anderen Ländern auch in Baku Fuß zu fassen, aber die Kontrolle des religiösen Bereichs ist rigide. Die Toleranz hat freilich nicht verhindern können, dass noch in den letzten Jahren der Sowjetunion - das Fanal war das berüchtigte Massaker in der Industriestadt Sumgait - die vor allem in Baku große armenische Minorität durch systematische Pogrome in die Emigration getrieben wurde. Seit der Unabhängigkeit haben auch nicht wenige Bürger russischer, ukrainischer oder baltischer Abstammung die Koffer gepackt. Das einst so kosmopolitische Baku wird zunehmend "azerisiert".
In der Haltung gegenüber den Religionsgemeinschaften folgt die Politik Bakus dem leninistischen Prinzip "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser". So wurde seit der Jahreswende eine neuerliche Registrierung aller religiösen Gemeinschaften durchgeführt. Dabei wurde die Zahl der registrierten Gemeinschaften, wie "Keston Institute" berichtet, von 406 auf 125 reduziert. Besonders schwer lastet die Hand des "Staatskomitees für die Beziehungen mit den Religionsgemeinschaften" auf den - in Azerbaidschan mehrheitlich schiitisch eingestellten - Muslimen und auf den evangelikalen Protestanten. Weil Rafik Alijew öffentlich erklärt hatte, sein Staatskomitee werde zusammen mit der kaukasischen muslimischen geistlichen Verwaltung die Zulassung aller Imame des Landes überprüfen, ging der Scheich-ul-Islam sogar auf Konfrontationskurs und erklärte, die Religion sei vom Staat getrennt, hier handle es sich ausschließlich um eine religiöse Frage.
Dass die Azeris heute mehrheitlich - zumindest nominelle - Muslime sind und eine Turk-Sprache sprechen, ist auf einen jahrhundertelangen Transformationsprozess zurückzuführen, wie er in ähnlicher Weise auch zur Umwandlung der anatolischen Halbinsel von einem christlich-griechischen zu einem islamisch-türkischen Gebiet geführt hat. Die ursprünglichen Bewohner des heutigen Azerbaidschan hießen "Albaner", waren nicht identisch mit den Bewohnern des europäischen Albanien und wurden von Armenien aus christianisiert; sie hatten eine nach dem Muster der armenischen entwickelte Schrift, von ihrer reichen Literatur ist aber fast nichts erhalten. Neben den Armeniern und Georgiern bildeten die Albaner das dritte transkaukasische Volk mit eigener Kirchensprache. Politisch standen sie unter iranischem Einfluss. Auch nach der islamischen Eroberung blieben die albanische Kirche und die albanische Sprache mindestens bis ins 11. Jahrhundert lebendig. Experten meinen, dass die kleine Volksgruppe der Uden im Norden Azerbaidschans den letzten Rest des einstigen albanischen Volkes darstellt.
Kathpress
13. mai 2002