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Publisert 13. mai 2002 | Oppdatert 13. mai 2002

Vom 23. bis 26. Mai besucht Johannes Paul II. ein Land, das verglichen mit den meisten seiner Nachbarn geradezu ein Hort politischer Stabilität ist

"Kathpress"-Hintergrundbericht von Josef Pumberger

Sofia, 13.5.02 (KAP) Im Zeichen der Ökumene will Papst Johannes Paul II. von 23. bis 26. Mai Bulgarien besuchen. Die Republik Bulgarien ist der einzige Staat unter den EU-Kandidatenländern des früheren Ostblocks, den Johannes Paul II. nach der politischen "Wende" von 1989 noch nicht besucht hat. Das ist insofern bemerkenswert, als das Land verglichen mit den meisten seiner Nachbarn geradezu ein Hort politischer Stabilität ist.

Schlagzeilen machte Bulgarien, als seinem kommunistischen Geheimdienst nach dem Attentat auf den Papst in Rom 1981 zur Last gelegt wurde, seine Finger im Spiel gehabt zu haben. Auch wenn die Hintergründe des Attentats bis heute nicht gänzlich geklärt sind, haben bulgarische Politiker diese These immer zurückgewiesen. Mit dem Besuch des Papstes sollte - so die Hoffnung - Bulgarien endgültig rehabilitiert werden.

Den Papst selbst ließ die mögliche Verstrickung Bulgariens in den Anschlag auf sein Leben sicher nicht zögern, dorthin zu reisen. Bereits in den frühen neunziger Jahren äußerte er den Wunsch nach einem Besuch in dem mehrheitlich orthodoxen Land, und er wurde mehrfach vom Staatspräsidenten eingeladen.

Orthodoxie reserviert, aber gastfreundlich

Dass die Visite erst in diesem Jahr zu Stande kommt, hängt offensichtlich mit den Prioritäten Johannes Pauls II. und der vatikanischen Reisediplomatie zusammen. In Ländern wie Rumänien oder der Ukraine, in denen starke Spannungen und Konflikte zwischen der orthodoxen Mehrheitskirche und katholischen Minderheiten herrschen, wollte Rom so bald wie möglich Zeichen setzen. Die Visiten des Papstes dort wurden gegen erheblich stärkere Widerstände von orthodoxer Seite zu Stande gebracht als dies jetzt in Bulgarien der Fall ist.

Das durch Spaltungstendenzen geschwächte orthodoxe Patriarchat in Sofia zögerte lange, den römischen Pontifex willkommen zu heißen. Schließlich luden Patriarch und Heiliger Synode den Papst nicht selbst ein, aber man rang sich zu der diplomatischen Formel durch, man werde dem Gast aus Rom selbstverständlich "traditionelle bulgarische Gastfreundschaft entgegenbringen". Zwar wird in manchen Kreisen der Auftritt des Papstes mit großer Skepsis verfolgt werden, doch ist das Klima zwischen den Konfessionen und Volksgruppen ein viel ruhigeres als in anderen Ländern der Region.

Von den knapp acht Millionen Einwohnern Bulgariens bekennen sich 85 Prozent zum orthodoxen Glauben. Etwa 13 Prozent sind Muslime; sie setzen sich zusammen aus den 700.000 Angehörigen der "türkischen" Minderheit und den 250.000 "Pomaken", die ethnisch Bulgaren geblieben sind. Die Katholiken stellen mit etwa 90.000 Gläubigen gut ein Prozent der Bevölkerung; von ihnen folgen 15.000 dem byzantinischen Ritus. Eine kleine, aber gesellschaftlich bedeutende Minorität bildet auch die methodistische Kirche.

Das Datum der Reise, das Fest der Slawenapostel Kyrill und Method, ist mit Bedacht gewählt. In den vergangenen Jahren hat das Sofioter Patriarchat zum 24. Mai stets eine Delegation nach Rom entsandt, um an den päpstlichen Feiern zu diesem Festtag teilzunehmen. Auch der kommunistische Staat vor der "Wende" war bei diesen Feiern immer präsent.

Auf den Spuren von Kyrill und Method

Tatsächlich konnten im 9. und 10. Jahrhundert Methods Schüler im ersten bulgarischen Reich (das auch das heutige Mazedonien und weitere Teile der Balkan-Halbinsel umfasste) die slawische Kultur voll entwickeln und entfalten. Tausende Mönche und Schriftgelehrte schufen damals jene Basis an kirchlichen Texten in slawischer Sprache, mit der die Christianisierung der Kiewer Rus und des gesamten russischen Raumes bewerkstelligt wurde.

Johannes Paul II. wird bei seinem Aufenthalt in Sofia mit Sicherheit an die Rolle Bulgariens als Stammland der slawischen Orthodoxie erinnern. Mehr als einmal hat der Papst aus Polen an das Völker verbindende Erbe der beiden Slawenapostel aus Saloniki erinnert. Ihr Vermächtnis reiche tiefer als alle Kirchenspaltungen.

Umgekehrt ist bei den Bulgaren Papst Johannes XXIII. unvergessen, der als Apostolischer Delegat Angelo Roncalli von 1925 bis 1934 in Sofia wirkte und sich mit seiner freundlichen und offenen Haltung zur Orthodoxie und zum Volk große Sympathien erwarb.

Das einzige, was sowohl dem Papst als auch Patriarch Maksim wirklich Sorgen bereitet, ist die seit zehn Jahren anhaltende Spaltung innerhalb der orthodoxen Kirche Bulgariens. Der Vatikan hatte in der Vergangenheit stets betont, dass Johannes Paul II. zu einer Reise nach Bulgarien bereit sei, wenn diese zur Versöhnung innerhalb der bulgarischen Orthodoxie beitragen kann. Wie weit dies möglich sein wird, bleibt abzuwarten.

Es waren vornehmlich politische Gründe, warum die Kirche vor zehn Jahren in eine Spaltung schlitterte. Der Versuch einer Säuberung der orthodoxen Kirche von Vertrauensleuten und Kollaborateuren der KP-Diktatur brachte auch Patriarch Maksim ins Zwielicht. In der Folge unterstützten antikommunistische Politiker die Gegner des Patriarchen, während die postkommunistische Sozialistische Partei stets hinter Maksim stand.

Von Politik geschürte Kirchenspaltung

Die vorläufig letzte entscheidende Wende im bulgarischen Kirchenstreit brachten die Parlamentswahlen vom Juni 2001. Der wenige Monate zuvor aus dem Exil zurückgekehrte frühere Zar Simeon II. errang unter seinem bürgerlichen Namen Simeon Saks-Koburggotski mit seinem Wahlbündnis - "der Nationalen Bewegung Simeon II." - einen überlegenen Sieg. Der neue Ministerpräsident ließ bisher keine Gelegenheit aus, dem Patriarchen als Repräsentanten von Bulgariens "legitimer Orthodoxie" seiner Unterstützung und Anerkennung zu versichern.

Ihren letzten politischen Rückhalt büßten die Schismatiker bei den Präsidentenwahlen im November 2001 ein: Der amtierende Präsident Petar Stojanow, ein Gegner Maksims, verlor überraschend gegen den sozialistischen Herausforderer Parwanow.

Auch wenn die innere Spaltung der Kirche in nächster Zeit überwunden werden sollte, hat sie viel Energie gebunden, die für den geistlichen, geistigen und materiellen Wiederaufbau nach den vier Jahrzehnten kommunistischer Unterdrückung dringend benötigt wird. Die bulgarisch-orthodoxe Kirche leidet heute unter starkem Mangel an Priestern und Mönchen. Zwar bereiten sich rund 500 Studenten auf das Priesteramt vor, doch den theologischen Fakultäten mangelt es an Ausstattung und zeitgenössischer theologischer Fachliteratur.

Der Kirche wohl gesonnene Kritiker werfen ihr vor, das von den Kommunisten hinterlassene geistige Vakuum nur sehr unzulänglich zu füllen. Gerade bei vielen junge Menschen werde das Interesse am Glauben nicht zu wecken versucht. Das religiöse Wissen sei bei vielen erschreckend gering. Auch habe die Kirche es bisher nicht geschafft, sich in sozialen und gesellschaftlichen Fragen entsprechend zu engagieren und zum "Sprachrohr der vielen Armen" zu werden.

Katholiken: Kleine, engagierte Minderheit

Die Katholiken des Landes führen ein Leben am Rand der Gesellschaft. Sie sind aber vor allem im karitativen Bereich und in der Jugendarbeit engagiert. Der Wiederaufbau der Gemeindestrukturen nach der "Wende" konnte - mit starker Unterstützung aus dem Ausland - weitgehend erreicht werden. Für die Sozial- und Bildungsarbeit brauchen die Katholiken aber weiter finanzielle Hilfe von außen.

Im Gegensatz etwa zu Russland stört sich niemand an der Präsenz der katholischen Kirche mit zwei "lateinischen" und einer "byzantinischen" Diözese. Die geringe Zahl der Unierten mit ihrem dynamischen Bischof Christo Projkow wird von der orthodoxen Mehrheitskirche nicht als Konkurrenz empfunden. Neben Ungarn war Bulgarien im übrigen das einzige kommunistisch regierte Land, in dem die katholische Kirche des byzantinischen Ritus nicht in die Katakomben gezwungen wurde.

Die Ökumene wird naturgemäß ein Hauptthema der Reden des Papstes bei seiner Visite sein. Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA und deren Folgen drängt sich bei einem Besuch in Bulgarien jedoch ein anderes Thema in den Vordergrund: das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen.

Das Verhältnis zur türkischen Minderheit ist historisch sehr belastet. Die Kommunisten hatten mehrere Kampagnen zur Zwangsbulgarisierung durchgeführt. Den Türken war die Pflege von Brauchtum und das Sprechen ihrer Muttersprache auf öffentlichen Plätzen untersagt. Auch wollte das Regime die Türken zwingen, ihre türkischen Namen durch bulgarisch-slawische zu ersetzen. Daraufhin wanderten im Sommer 1989 mehr als 300.000 Türken aus, vor allem in die benachbarte Türkei.

Mit Ankara gemeinsam gegen Islamisten

Seit 1990 hat sich Klima zwischen Mehrheit und Minderheit deutlich entspannt. Dazu trug wesentlich die moderate Politik der türkischen "Partei der Rechte und Freiheiten" (DPS) bei, die seit 1990 im Parlament und seit 2001 auch in der Regierung vertreten ist. Sakskoburggotski bedeutete dem orthodoxen Patriarchen Maksim, den Dialog mit den Muslimen des Landes aufzunehmen. So kam es im November des Vorjahres zum ersten Treffen zwischen Maksim und dem bulgarischen Obermufti Selim Mehmed.

Die weitere Öffnung der bulgarischen Staatspolitik gegenüber den Anliegen der Muslime ist auch vom neuen Präsidenten Parwanow übernommen worden. Zum ersten Mal sandte das Staatsoberhaupt im Februar dieses Jahres den Muslimen eine Grußbotschaft zum islamischen Opferfest (Kurban Bayram), die er dem Obermufti bei einem Empfang am Sitz des Präsidenten überreichte. Dabei schlug Mehmed eine internationale Konferenz in Sofia über den Islam in Europa vor, über die der Präsident die Schirmherrschaft übernehmen könnte.

DPS-Vorsitzender Dogan hat sich zuletzt öffentlich für eine Aussöhnung seiner Volksgruppe mit den Ex-Kommunisten ausgesprochen. Man müsse nicht vergessen, aber verzeihen, sagte er in Antwort auf eine Vergebungsbitte eines hochrangigen Sozialisten.

Maksim und Mehmed berieten bei ihrer ersten Begegnung im November auch über - beiden Gemeinschaften gemeinsame - Probleme bei der Rückgabe des von den Kommunisten beschlagnahmten Eigentums. Während auf orthodoxer Seite nicht der Maksim-Flügel, sondern der abgespaltene Flügel das meiste Eigentum ausgefolgt bekam, erhielten auf muslimischer Seite fundamentalistischen Außenseitergruppen ehemalige Moscheen, Medresen und Stiftungen (Wakf). Patriarch und Obermufti wollen nun dieser Praxis gemeinsam entgegentreten und ihre rechtmäßigen Ansprüche durchsetzen.

Obermufti Mehmed ist sehr bemüht, den Einfluss zahlungskräftiger Islamisten in Bulgarien gering zu halten, und er wird dabei seit einigen Jahren stark von der türkischen Regierung unterstützt. Die staatlichen Religionsbehörden beider Länder vereinbarten, durch religiöse Bildungsprogramme für die Muslime in Bulgarien fundamentalistischen Strömungen entgegenzuwirken. Dazu sollen Lehrer von Obersten Islamischen Institut in Ankara nach Bulgarien geschickt werden, die sich vor allem der Aus- und Fortbildung der muslimischen Geistlichen annehmen. Im Gegenzug werden die türkischen Behörden der zahlenmäßig klein gewordenen, aber historisch bedeutsamen bulgarischen Minorität im türkischen Teil Thraziens (vor allem um Adrianopel/Edirne) und in Istanbul mehr Entgegenkommen zeigen müssen.

Kathpress
13. mai 2002

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