Mexikanische Bischöfe setzen große Hoffnungen auf Heiligsprechung des indianischen Sehers von Guadalupe, Juan Diego - Im Hinblick auf die zu Sekten abgewanderten Indios soll auch die «Indigenität» des Heiligen besonders herausgestrichen werden
Ciudad de Mexico, 18.7.02 (KAP) Der bevorstehende Papstbesuch in Mexiko und die Heiligsprechung des indianischen Aristokraten Juan Diego müssen nach Ansicht lateinamerikanischer Experten im Zusammenhang mit der starken Abwanderungsbewegung von Katholiken in den Ländern südlich des Rio Grande zu protestantisch-fundamentalistischen Sekten gesehen werden. Fundamentalistische Quellen behaupten, dass in Lateinamerika jeden Tag 10.000 Katholiken zu den «Evangelicos» übertreten. Besonders betroffen sind die beiden mexikanischen Bundesstaaten Chiapas und Tabasco. In beiden Staaten sei der Anteil der Katholiken auf weniger als 70 Prozent gesunken.
In diesem Zusammenhang setzen die mexikanischen Bischöfe sehr große Hoffnungen auf die Heiligsprechung Juan Diegos. Im Sinne einer Wiedergewinnung der zu Sekten abgewanderten Indios von Chiapas soll auch die «Indigenität» Juan Diegos besonders herausgestrichen werden.
In einem von der Erzdiözese Ciudad de Mexico geförderten Forschungsprojekt im Vorfeld der Heiligsprechung wurden etwa authentische Nachfahren des Sehers präsentiert; auch die Frage der Authentizität wurde geklärt. Im Zusammenhang mit der Ahnenforschung habe sich demnach gezeigt, dass Juan Diego ein Edelmann aus der zur Zeit der Aztekenherrschaft bedeutenden Nahua-Stadt Cuautitlan war.
Der frühere Rektor der Basilika von Guadalupe, Guillermo Schulenburg, hatte 1996 für größte Aufregung mit der Interview-Aussage gesorgt, dass es keine gesicherte Evidenz für die Historizität der Person von Juan Diego gebe. Juan Diego sei «ein Symbol, aber keine Realität», so Schulenburg in einem langen Interview für «Trenta giorni». In einem Brief an den Vatikan bat Schulenburg schließlich um nochmalige detaillierte Analyse, bevor es zu einer Heiligsprechung Juan Diegos komme.
Der Erzbischof von Ciudad de Mexico, Kardinal Norberto Rivera Carrera, aber auch Staatspräsident Vincente Fox, hatten sich hingegen ausdrücklich auf die Seite der Historizitäts-Befürworter gestellt. Ganz gegen die bürgerlich-antiklerikale Tradition Mexikos hatte Fox sogar im Dezember 2000 sein Amt mit einem öffentlichen Gebet in der Basilika von Guadalupe angetreten.
Der Überlieferung nach war der 1474 geborene Juan Diego Cuautlatoatzin ein kinderloser Landwirt und Mattenflechter aus der Nahua-Stadt Cuautitlan, die 1467 von den Azteken erobert und ihrem Reich einverleibt worden war. Nach der Eroberung des Aztektenreiches durch Spanien (1519/21) ließ sich Juan Diego gemeinsam mit seiner Frau Malitzin (Maria Lucia) 1524 taufen. Taufspender war vermutlich der große Indio-Missionar Fray Toribio, ein spanischer Franziskaner. Maria Lucia starb 1529.
Juan Diego zog nach ihrem Tod zu seinem Onkel nach Tolpetlac. Am Weg zur Messe in die 15 Kilometer entfernte Kirche von Tlalteloco soll ihm 1534 die Jungfrau Maria erschienen sein, die ihn in Nahuatl angesprochen habe. Nach der Erscheinung übersiedelte Juan Diego in ein Haus neben der Kapelle, die am Ort des Ereignisses errichtet wurde. Er starb dort 1548 im Alter von 74 Jahren. Das Todesdatum soll nach neuesten Forschungen der 9. Juni gewesen sein.
Die Heiligsprechung Juan Diegos durch Papst Johannes Paul II. erfolgt am Mittwoch, 31. Juli, in der neuen Basilika von Guadalupe. Das Gotteshaus, das während der Ära Schulenburgs als Rektor von Guadalupe 1974 bis 1976 von dem berühmten mexikanischen Architekten Pedro Ramirez Vasquez errichtet wurde, gilt als größte Kirche der Welt und zählt 22.000 Plätze.
Am Donnerstag, 1. August, spricht der Papst - ebenfalls in Guadalupe - die beiden Indios und Märtyrer Juan Bautista und Jacinto de Los Angeles selig, die im 18. Jahrhundert gelebt hatten. Am selben Tag noch tritt er den Rückflug nach Rom an. In Ciudad de Mexico rechnet man für 31. Juli/1. August mit rund einer Million Pilgern.
Kathpress
18. juli 2002