Johannes Paul II. machte bei der Messfeier auf dem Blonie-Gelände deutlich, dass seinen Landsleuten auch im neuen Jahrhundert noch eine Weile den Weg weisen will
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Krakau, 18.8.02 (KAP) Die Messfeier auf dem Krakauer Blonie-Gelände am Sonntag war die größte Menschenansammlung in Polen seit dem ersten Papstbesuch 1979. Ein großer Teil der Pilger war schon in der Nacht auf die Freifläche außerhalb der Krakauer Altstadt geströmt. Es kam zu Verkehrsbehinderungen, weil die Menschenmassen das erwartete Ausmaß übertrafen und nicht alle auf der eigentlichen Wiese Platz fanden. Viele waren schon vor drei Jahren dabei, als 1,5 Millionen an gleicher Stelle im Regen vergebens auf den Papst gewartet hatten, der wegen einer Grippe absagen musste.
Die Stimmung der zwei Millionen am Sonntag war konzentriert und doch heiter wie das sommerliche Augustwetter. Es schien, als ob der Papst mit seiner Rückkehr in die Heimat noch einmal alle dunklen Wolken vom Horizont wegfegen und durch die Besinnung auf das Wesentliche seinen Landsleuten neue Kraft geben könnte. Und als er dann der seit dem 11. September grassierenden Verunsicherung und der Wirtschaftskrise Worte der Hoffnung und Appelle zur Gerechtigkeit entgegensetzte, schienen für einen Moment vom applaudierenden Präsidenten bis zum einfachen Gläubigen alle daran zu glauben, dass es wirklich besser wird. «Willkommen zuhause! Wir lieben Dich», riefen sie Johannes Paul II. zu.
Selbst ein nüchterner Mann wie der Krakauer Erzbischof, Kardinal Franciszek Macharski, ließ sich durch die erneute Anwesenheit seines Vorgängers in der Heimat zur Begeisterung hinreißen und sagte: «Wir grüßen Dich mit unbeschreiblicher Freude und Dankbarkeit an Gott, dass Du heute hier bist». In einer anderen Ansprache hatte er ihn gar begrüßt als einen, «der hier zuhause ist und Herr im Haus ist».
In diesen Tagen schien es, als sei Karol Wojtyla eigentlich nie so ganz von Krakau weggegangen: In der Stadt, wo seine Eltern begraben sind, wo er studiert hat, Priester und Bischof wurde, wo er 40 Jahre seines Lebens verbracht hat und wo im Bischofspalais in der Franciszkanska noch sein Bett und sein Schreibtisch von damals stehen, kennt er jeden Winkel. Nirgends sonst ist er so zuhause wie hier, auch wenn er seit 24 Jahren «Bischof von Rom» ist, wie er seinen Landsleuten immer wieder ins Gedächtnis ruft. Nirgends hat er einen so engen Kontakt zur Bevölkerung wie in Krakau, wo sich während seines Aufenthaltes jeden Abend Tausende vor dem Fenster seines Zimmers im Erzbischöflichen Palais versammeln, um mit ihm zu singen, seinen Segen zu empfangen und sich von ihm eine Gute Nacht wünschen zu lassen.
Manchmal überwältigte den 82-Jährigen die Erinnerung an früher ganz unerwartet, etwa als er am Ende des Gottesdienstes zur Weihe der Basilika von Lagiewniki am Samstag plötzlich davon sprach, wie er vor mehr als sechs Jahrzehnten an gleicher Stelle in ärmlichen Schuhen mit Holzsohlen zur Arbeit in der Solvay-Fabrik lief - und sich nie vorgestellt hätte, einmal als Papst hierher zurückzukommen.
Das Programm des Papstes wurde so zusammengestellt, dass er genug Zeit finden konnte, an seine biografischen und geistigen Wurzeln zurückzukehren: Vom Wallfahrtsort Kalwaria Zebrzydowska, den er seit dem frühen Tod der Mutter immer wieder aufsuchte, über die Jagellonen-Universität, an der er eine Zeit lang studiert hat, bis hin zur Wawel-Kathedrale, wo er 1946 seine erste Messe las.
Doch die Rückkehr zu den Quellen war für Johannes Paul II. mehr als ein Nostalgie-Trip. Mit seiner Predigt in Krakau unterstrich er, dass er mit seinen Landsleuten nicht nur in alten Erinnerungen schwelgen, sondern ihnen im neuen Jahrhundert noch eine ganze Weile den Weg weisen will - einen Weg, dessen Richtung sich aus der Besinnung auf die geistigen Wurzeln ergibt. Und um letzte Zweifel auszuräumen, wie er seinen Beitrag in der Zukunft sieht, verabschiedete er sich mit den Worten: «Auf Wiedersehen. Ich würde sagen: Bis zum nächsten Mal, aber das liegt ganz in Gottes Hand!»
Kathpress
18. august 2002