Der jüngste Heimatbesuch Johannes Pauls II. war auch von Wehmut geprägt
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Krakau, 20.8.02 (KAP) Mit einem Besuch in der Wallfahrtsstätte seiner Kindheit und Jugend - Kalwaria Zebrzydowska - hat Papst Johannes Paul II. das Besuchsprogramm seiner neunten Reise in die polnische Heimat beendet. Er feierte eine Messe in der Klosterkirche von Kalwaria Zebrzydowska nahe seinem Heimatort Wadowice, wohin er schon nach dem frühen Tod seiner Mutter gepilgert war, um vor der Ikone der Muttergottes zu beten.
In einem emotionalen Gebet vertraute er der Madonna von Kalwaria den Rest seines irdischen Lebens und seiner Mission an. Im gleichen Atemzug empfahl er die Früchte seines Wirkens sowie die Zukunft der Kirche und der polnischen Nation ihrer Fürsorge. In diesem sehr persönlichen und zugleich programmatischen Gebet, an dessen Ende die Gläubigen stehend applaudierten, bereitete er seine Landsleute auf das Unvermeidliche vor: Die Zeit nach ihm. Zwar hatte er noch am Vorabend den Jugendlichen, die am Fenster seiner erzbischöflichen Residenz in der Krakauer Altstadt mit ihm beteten, versprochen, dass er bestimmt noch einmal zurückkommen wolle. Doch änderte dies nichts an einem melancholischen Grundton, der die letzten vier Tage in der Heimat durchzog.
Die Wehmut beschränkte sich nicht auf den Besuch vertrauter Orte, von der alten Wohnung im Erzbischöflichen Palais bis zum Hubschrauberausflug zum Geburtsort Wadowice. Derartige «Abschiedsvisiten» hatte er auch bei den vergangenen Reisen schon gemacht. Doch anders als früher machte der Papst diesmal immer wieder Anspielungen darauf, dass es allein in Gottes Hand liegt, ob er jemals wieder die geliebte Heimaterde betreten kann. So war es kein Wunder, dass die Gläubigen die Gottesdienste anders als bei den letzten beiden Polenreisen nicht in volksfestartiger Stimmung, sondern in einer Mischung aus Dankbarkeit und ernster Sammlung mitfeierten. Es war schwer zu unterscheiden, was da überwog: die Freude, den Papst noch einmal im Land zu haben - oder die Beklemmung bei dem Gedanken an die Zeit, wenn er einmal nicht mehr Polen und die Kirche auf dem Weg durch die Geschichte begleiten kann.
Als Rüstzeug für diese Zukunft hinterließ er seinen Landsleuten in seinen Predigten und Ansprachen eine Art Vermächtnis. Er zog noch einmal alle Register seiner theologischen und sozialen Lehren und rief die Polen zur Treue im Glauben, zu Einheit, Gerechtigkeit und Solidarität auf, wobei er es vermied, diesen Begriff einer bestimmten politischen Strömung zuzuordnen, die ihre historische Stunde bereits hinter sich hat. Die Weiterführung seines Wirkens im Heimatland vertraute er der von der polnischen Mystikerin Faustyna Kowalska begründeten Frömmigkeits-Bewegung um die Barmherzigkeit Gottes an. Sie soll dazu beitragen, dass Polens tausendjährige katholische Tradition in das neue Millennium weitergetragen wird. Dem polnischen Volk gab er darüber hinaus am Vorabend des Beitritts zur EU den Auftrag mit, seinen Glauben in das zusammenwachsende Europa einzubringen, damit der Kontinent ein christliches Profil behält. Unüberhörbar schwang in seinem Abschiedsgebet an die Muttergottes von Kalwaria die Sorge mit, wie es mit Polen und der Kirche weitergehen wird.
In manchen Anspielungen während dieser Krakauer Spätsommertage erweckte Johannes Paul II. den Eindruck, als ob er die Rückkehr nach Rom als eine Pflicht empfindet, während sein Herz doch für immer an der Heimat hängt. Mit der erneuten Rückkehr zu den eigenen Wurzeln hat der von Alter und Krankheit gebeugte Papst sichtlich Kraft geschöpft und die vor ihm liegende Lebens- und Leidenszeit in den Blick genommen. Die Muttergottes von Kalwaria Zebrzydowska bat er am Ende seines Gebets um «Kraft für Körper und Geist», um seine Mission als Papst bis zum Ende durchstehen zu können.
Kathpress
20. august 2002