Kondrusiewicz spricht von «Unterdrückung der Religionsfreiheit in Russland»
Moskau, 13.9.02 (KAP) Nach der Ausweisung zweier weiterer katholischer Priester durch die russischen Behörden hat der katholische Erzbischof in Moskau, Tadeusz Kondrusiewicz, an internationale Menschenrechtsorganisationen und «alle Menschen guten Willens» appelliert, die «Unterdrückung der Religionsfreiheit und der Personenrechte» in Russland zu stoppen. Das Land dürfe nicht von neuem Verletzungen der Gewissensfreiheit erleben, forderte Kondrusiewicz in einem in Moskau veröffentlichten Schreiben.
In Russland finde derzeit eine breit angelegte antikatholische Kampagne mit Demonstrationen, dem Entzug von Baugenehmigungen, Akten des Vandalismus, Profanierung von Gotteshäusern und dem künstlichen Aufbau eines Feindbildes statt, so der Erzbischof. In den vergangenen Monaten seien systematisch Priester aus dem Land vertrieben worden, begleitet von Beleidigungen, nicht aber von Erklärungen. Es dränge sich die Frage auf: «Wer ist als nächster dran?»
«Bürger zweiter Klasse»
Die wahren Opfer der Ausweisungswelle seien nicht die Priester und Bischöfe, sondern die russischen Gläubigen. Obwohl auf dem Papier alle Russen die gleichen Rechte besäßen, seien die Katholiken offenbar mehr und mehr «Bürger zweiter Klasse», denen man eine ausreichende Anzahl von Seelsorgern verweigere und damit ihr Recht auf Religionsfreiheit verletze. Kondrusiewicz erinnerte daran, dass die vergleichsweise hohe Zahl ausländischer Priester auf das Fehlen katholischer Priesterseminare in kommunistischer Zeit zurückzuführen sei. Am Dienstag war binnen 24 Stunden zwei Priestern polnischer Staatsangehörigkeit trotz gültiger Papiere die Wiedereinreise nach Russland verwehrt und das Visum entzogen worden.
Der Vatikan kündigte diplomatische Schritte an und sprach erstmals von einer «Verfolgung» der katholischen Kirche durch die russischen Behörden. Der Apostolische Nuntius in Moskau, Erzbischof Georg Zur, protestierte beim russischen Außenministerium gegen die Ausweisung.
Evangelischer Laienmissionar ausgewiesen
Die russischen Behörden haben einen Laienmissionar des «Evangelischen Missionarischen Verbandes», den schwedischen Staatsbürger Lew Martensson, ausgewiesen. Martensson war neun Jahre im Gebiet Krasnodar in Südrussland tätig gewesen. Martenssons Anwalt Aleksander Antipjonok sagte dem Nachrichtendienst des britischen «Keston Institute», die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Krasnodar sei «illegal» gewesen. Die Kirchen dürften solche Entscheidungen nicht hinnehmen; die Praxis, ausländische Kirchenmitarbeiter auszuweisen, bedeute «eine große Gefahr für die Demokratie in Russland».
Martensson hatte nach zweimonatigem Aufenthalt im Ausland am 17. August die finnisch-russische Grenze überschritten. Nach russischem Gesetz müssen Ausländer innerhalb von drei Werktagen nach ihrer Ankunft an ihrem Wohnort beim örtlichen Meldeamt (OVIR) ihre Dokumente vorlegen. Die Mitarbeiter des «Evangelischen Missionarischen Verbandes» gingen am 21. August zum OVIR; die «Fristversäumnis» um einen Tag wurde zum Vorwand für ein Verwaltungsverfahren genommen. Am 10. September befand das Verwaltungsgericht in Krasnodar, dass Martensson auszuweisen sei und eine Verwaltungsstrafe von 500 Rubel zahlen müsse. Nur im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Missionars - er ist zuckerkrank - wurde davon abgesehen, ihn bis zur Ausreise in Haft zu nehmen.
Nach seiner Ankunft in Deutschland sagte Martensson im Gespräch mit «Keston Institute», er vermute, dass seine Ausweisung erfolgt sei, weil er ein «aktiver Missionar» war. Möglicherweise stehe der islamische Klerus in der Autonomen Republik Adygeja - wo Martensson eine Gemeinde gegründet hatte - hinter der Ausweisung.
Antipjonok erinnerte daran, dass auch ein anderer ausländischer Mitarbeiter des «Evangelischen Missionarischen Verbandes» - der koreanische Staatsbürger Paul Kim - von den russischen Behörden ausgewiesen worden war. Kim hatte mehrere Jahre in der Kalmüken-Republik gearbeitet. Am Jahresbeginn war Kim nach einem Heimataufenthalt auf dem Moskauer Flughafen festgenommen worden, sein Visum wurde für ungültig erklärt und er musste mit dem nächsten Flugzeug nach Korea zurückkehren.
CDU: «Religionsfreiheit gefährdet»
In Deutschland warnte die CDU vor einer Gefährdung der Religionsfreiheit in Russland. Der Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU-Bundestagsfraktion, Hermann Gröhe, sprach von zunehmenden Schikanen gegen alle nicht-orthodoxen Religionsgemeinschaften. Offenbar sei die Phase vorbei, in der nach dem Niedergang des Kommunismus Religionsfreiheit ermöglicht worden sei. Die russisch-orthodoxe Kirche müsse auch im ökumenischen Dialog sehr deutlich auf diese Entwicklung angesprochen werden.
Gröhe warnte in einem Gespräch mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA vor der «Gefahr einer Allianz zwischen autoritärer Politik und nationalkirchlicher Ideologie», die alles Nicht-Orthodoxe als fremd und unrussisch diffamiere. Schon der Vorwurf der Missionstätigkeit richte sich im Kern gegen jede Religionsfreiheit. Der CDU-Politiker forderte, das Thema müsse auch im politischen Dialog zur Sprache kommen. Schließliche gehe es auch um politische und administrative Maßnahmen. Selbstverständlich begrüße er, dass orthodoxe Christen in Deutschland ihren Glauben lebten und Formen der Selbstorganisation hätten. Genauso selbstverständlich, so Gröhe weiter, müsse dies auch für nicht-orthodoxe Gläubige in Russland sein.
Kathpress
13. september 2002