Bonn, 4.12.02 (KAP) Der Moskauer Schriftsteller und Menschenrechtler Anatolij Pristawkin hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Demokraten und Reformer bezeichnet. Putins Reformen bräuchten Zeit, sonst würden sie abgewürgt, sagte Pristawkin in Stuttgart bei der Entgegennahme des Aleksander-Men-Preises. Die mit 2.500 Euro dotierte Auszeichnung wird jährlich von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Partnerinstitutionen an Personen verliehen, die sich um Freiheit in Russland und die deutsch-russische Verständigung verdient gemacht haben.
Pristawkin, der bis 2001 Vorsitzender der russischen Begnadigungskommission war und heute Berater des Präsidenten ist, bezeichnete die bisherigen innenpolitischen Reformen als «auf dem niedrigen russischen Niveau erfolgreich». Die Menschen hätten inzwischen mehr Arbeit. Zur Situation der eine Million Strafgefangenen sagte der Preisträger, «eine Million bleibt eine Million». Allerdings setze er auf Reformen, die Strafmaße für geringfügige Delikte mindern sowie alternative Strafen einführen sollen. 60 Prozent der Gefangenen in Russland sind Pristawkin zufolge wegen aus reiner Not verübter Bagatelldelikte in Haft. Fortschritte habe auch die Zuweisung der Begnadigungskompetenz an die 89 Regionen in Russland gebracht.
Der 71-jährige Schriftsteller, der im Westen mit seinen Werken «Schlief ein goldenes Wölkchen» und «Wir Kuckuckskinder» bekannt wurde, prognostizierte einen Wirtschaftsaufschwung in Russland, der durch eine neue Generation von dynamischen Geschäftsleuten getragen werde. «Was da entsteht, wird Sie noch in Erstaunen versetzen», meinte er.
Der Aleksander-Men-Preis ist nach dem bekannten Moskauer orthodoxen Priester, Theologen und Dissidenten benannt, der 1990 im Alter von 55 Jahren ermordet wurde.
Kathpress
4. desember 2002