Sarajevo-Bonn, 18.6.03 (KAP) Von einer Eingliederung Bosnien-Hercegovinas nach Europa erwartet sich der bosnische Kardinal Vinko Puljic ein besseres Zusammenleben der verschiedenen «Volksgruppen» im Land. Katholiken, Orthodoxe und Muslime wollten ihre religiöse Identität bewahren und eine neue Zivilgesellschaft aufbauen, sagte der Erzbischof von Sarajevo in einem Interview mit dem «Rheinischen Merkur». Die Zukunft des Landes liege in einem vereinten Europa.
Von dem Papstbesuch in Banja Luka am Sonntag erhofft sich Puljic nach eigenem Bekunden mehr Aufmerksamkeit europäischer Staaten und Investoren. «Wir fühlen uns vergessen, vernachlässigt und übergangen», so der Kardinal wörtlich. Ohne mehr Investitionen sei kein stabiles und demokratisches Land aufzubauen. Derzeit sei die Entwicklung der Wirtschaft wie auch die Rückkehr von Flüchtlingen eher enttäuschend.
Puljic beklagte die gesunkene Zahl von Katholiken in dem Land. Während 1991 ungefähr 830.000 katholische Gläubige in Bosnien lebten, seien es derzeit nur noch 500.000. In Sarajevo selbst habe sich die Zahl der Katholiken auf 18.000 halbiert. Insgesamt hätten Katholiken zwar politische Freiheit, genössen aber nicht überall im Land die vollen Rechte. Religionsunterricht finde dort statt, wo es genügend katholische Schüler gebe.
Hingegen sei die Zahl der Moscheen in dem Land gestiegen, berichtete der Kardinal. Er wisse aber, dass die bosnischen Muslime die Bauten nicht selber finanzieren könnten; oft würden Financiers aus Saudiarabien oder Malaysia als Spender genannt. Gleichzeitig werde die Werbetrommel für den sogenannten «Wahabismus» gerührt, eine höchst umstrittene fanatische muslimische theologische Richtung, die in Saudiarabien Staatsdoktrin ist.
Die Kirchen sind nach Angaben des Erzbischofs auf Spenden angewiesen. «Wir haben keine stabilen Ressourcen mehr und können unser Budget nicht planen», so Puljic wörtlich. Größere Projekte seien ausschließlich von ausländischen Spendern abhängig. Zudem beklagte der Kardinal, dass der katholischen Kirche in Bosnien nach dem Ende des Titoismus nur sehr wenige Gebäude zurückgegeben worden seien.
Kathpress
18. juni 2003