Dompfarrer Faber sieht Chance, Jesus ins öffentliche Gespräch zu bringen - Bibelwissenschaftler weisen auf viele Abweichungen vom Neuen Testament hin - Bedenken wegen der exzessiven Gewaltdarstellung
Wien, 11.3.04 (KAP) Als «große Chance» für die Evangelisierung bezeichnete der Wiener Dompfarrer Anton Faber den Gibson-Film «The Passion of the Christ». Es sei verfehlt, an den Film überzogene Maßstäbe hinsichtlich seiner bibelwissenschaftlichen Korrektheit anzulegen, sagte Faber bei einer Diskussion des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit der Erzdiözese Wien. Auch die Gewaltdarstellungen seien dem damaligen Geschehen wohl angemessen. Er sei ohne Zweifel durch die Gewaltdarstellungen sehr «betroffen» gewesen, betonte Faber. Mit «entsprechender Vorwarnung» sei der Gibson-Film für Erwachsene aber durchaus zu empfehlen. Der christliche Glaube bleibe aber nicht beim Karfreitag, betonte der Wiener Dompfarrer. Deshalb müsse die Kirche aufzeigen, «dass dieser Jesus noch viel mehr ist, er ist der auferstandene Christus, der in jeder Messfeier zugegen ist».
Den Vorwurf des Antisemitismus könne er nicht bestätigen, so Faber weiter. Vielmehr entspreche der Film der biblischen Tradition. «Wenn der Film antisemitisch wäre, müsste die Kirche dagegen Einspruch erheben, dazu ist sie verpflichtet», so der Dompfarrer wörtlich.
Differenziert äußerte sich Pfarrer Roland Schwarz, der im Vikariat Wien-Stadt für die Bibelarbeit zuständig ist. Grundsätzlich komme in Gibsons Film zu wenig durch, dass das Christentum eine froh machende Botschaft hat, so Schwarz. Positiv sei hingegen, dass der Film die Passion Jesu als etwas Brutales zeige - im Gegensatz zur Ästhetisierung und Verharmlosung des Kreuzes. Doch die Gewaltdarstellungen seien völlig unnötig «aufgebauscht» worden, ganz im Gegensatz zur biblischen Darstellung. In der Bibel gehe es nicht um die Schilderung eines besonders intensiven körperlichen Leidens, sondern um die Bereitschaft Jesu, sein Leben für andere hinzugeben. Er könne den Film jenen empfehlen, die nachher die Möglichkeit hätten, darüber zu reden, so Schwarz.
«Wenig mit der Bibel zu tun» hat Mel Gibsons Film nach Ansicht von Franz Kogler vom Katholischen Bibelwerk Linz, der wie Faber und Schwarz nach der Filmvorführung für religiöse Führungskräfte an der Diskussionsrunde im Wiener «Club Stephansplatz 4» teilnahm. «Die Passion Christi» sei mehr von der Frömmigkeit des 19. Jahrhunderts - vor allem durch die Visionen der deutschen Ordensfrau Anna Katherina Emmerich - als von den Evangelien inspiriert. Die Verfasser der Evangelien seien bei der Schilderung von Grausamkeit und Gewalt äußerst zurückhaltend gewesen, sagte Kogler, die Synoptiker Matthäus, Markus und Lukas würden etwa die Geißelung gar nicht erwähnen, und bei Johannes komme sie nur in einem Halbsatz vor. Gibson walze diese Peinigung in seinem Film ganze zwölf Minuten lang aus und verniedliche die Gewalt gleichzeitig: Wer nur einen Bruchteil dessen erleidet, was Jesus in dem Film durchmacht, würde sofort sterben. Kirchlicherseits sollte man den Streifen als Anlass zum Appell nehmen, selbst in der Bibel nachzulesen. Die Kirche solle «nicht über Gibson reden, sondern über Jesus», so Kogler.
Gibsons Film steht unter dem Vorzeichen eines Missverständnisses, wies Roland Schwarz auf das Eingangszitat des Films hin: Das programmatisch an den Anfang gestellte Jesaja-Zitat über den leidenden Gottesknecht und die darauf folgende filmische Darstellung lege fälschlicherweise nahe, es gehe um das Ertragen möglichst vieler und grausamer körperlicher Schmerzen; es gehe aber «vielmehr um die Hingabe». Judenfeindlichkeit sieht Schwarz durch den Film nicht gestützt.
Möglicherweise durchbricht der Gibson-Film die Tabuisierung der Gewalt im religiösen Kontext, räumte der Kulturbeauftragte der Diözese Graz-Seckau, Harald Baloch, in der Dikussion über den Film ein. Die Hemmschwellen seien dabei in den USA sicher andere als in Europa. Unverständlich ist für Baloch, warum Gibson viel wissenschaftliches Know-How für sprachliche Finessen wie die korrekte Wiedergabe des Aramäischen mobilisierte, theologische Kompetenz jedoch über weite Strecken zu kurz komme. Deshalb lässt Baloch auch den Einwand nicht gelten, dass sich Gibson dem Thema Passion als Künstler und nicht als Theologe genähert habe.
Von Getsemani bis Golgata
Mel Gibson beginnt seinen Film mit der Darstellung des Gebets Jesu am Ölberg. Dem tief in sich gekehrt Betenden erscheint Satan, der als androgynes Wesen bestreitet, dass irgendjemand die Sünden der Menschheit auf sich nehmen kann. Verraten von Judas Ischariot wird Jesus festgenommen. Die Anführer der Pharisäer bezichtigen ihn der Gotteslästerung und verlangen seinen Tod. Jesus wird dem römischen Statthalter in Palästina, Pontius Pilatus, vorgeführt. Dieser hört sich die vorgebrachten Anschuldigungen skeptisch an, sichtlich beeinflusst von seiner Ehefrau, die die Bedeutung Jesu ahnt. Um einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen, übergibt Pilatus die Angelegenheit an König Herodes. Auch dieser scheut ein Urteil und lässt Jesus zum Statthalter zurückbringen. Pilatus überlässt es nun dem aufgebrachten Mob und dessen Wortführern, den Hohepriestern, über die Begnadigung entweder von Jesus oder von Barrabas zu entscheiden. Das Volk entscheidet sich für Barrabas. Jesus wird den römischen Soldaten übergeben und von ihnen auf grausamste Weise gefoltert. Schwerst verwundet wird er wieder zu Pilatus gebracht, der ihn erneut der Menge vorführt und sich schließlich nach dem vielstimmigen «Kreuzige ihn» die Hände in Unschuld wäscht. Jesus muss unter ständigen Peitschenhieben das Kreuz durch die Straßen von Jerusalem bis nach Golgata tragen. Dort wird er schließlich ans Kreuz geschlagen und stirbt vor den Augen seiner Mutter Maria, die während seines gesamten Leidensweges präsent ist. Der Film endet mit einer kurzen Sequenz, die die Auferstehung andeutet: Gezeigt werden das leere Grab und die in sich zusammengefallenen Grabtücher, im Profil ist der jetzt bis auf die Wundmale an den Händen unversehrte Christus zu sehen.
Der offizielle Kinostart des Films erfolgt in Österreich unter dem Titel «Die Passion Christi» am 18. März.
Kathpress
11. mars 2004