«Bibel-Bischof» Krätzl bei ökumenischer Debatte am 22. März im Wiener Albert-Schweitzer-Haus - Tags darauf Gespräch im Grazer «Kulturzentrum bei den Minoriten»
Wien-Graz, 15.3.04 (KAP) «Blut und Wunden - Mel Gibsons umstrittene 'Passion Christi'»: Unter diesem Titel diskutiert am Montag nach dem österreichischen Kinostart des Films über die Leidensgeschichte Jesu - am 22. März - eine Runde von Fachleuten im Wiener Albert-Schweitzer-Haus. Ihre Teilnahme zugesagt haben «Bibel-Bischof» Helmut Krätzl, der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Michael Bünker, Richard Ames von der Israelitischen Kultusgemeinde in Graz, die Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann sowie der Journalist und Jesus-Film-Experte Claus Philipp. Moderieren wird der Publizist Hubert Feichtlbauer, Veranstalter sind die Katholische Aktion (KAÖ), der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Evangelische Akademie und die Wochenzeitung «Die Furche». Die Podiumsdiskussion um 19.30 Uhr soll christliche und jüdische Repräsentanten mit Kulturkritikern ins Gespräch über einen Film bringen, dem «exzessive Gewaltdarstellung und die Beförderung antijüdischer Stereotype» vorgeworfen werden, heißt es in einer KAÖ-Aussendung.
Auf widersprüchliche US-Kritiken von «totalem Bekenntnis» («Time») bis zu «widerwärtigem Todestrip» («USA Today») verweisen die Veranstalter einer Fachdiskussion zum Gibson-Film am 23. März im Grazer Kulturzentrum bei den Minoriten. Mit dabei sind der Wissenschafts- und Kulturbeauftragte der Diözese Graz-Seckau, Harald Baloch, der Theologe und Filmfachmann Christian Wessely, die Filmkonsulentin der Diözese Graz-Seckau, Astrid Polz-Watzenig, Peter Scheer von der Israelitischen Kultusgemeinde Graz und die Filmemacherin Regina Strassegger. Zur Sprache kommen sollen folgende Fragen: «Wärmt der Film alte Vorwürfe auf - die Juden als Gottesmörder? Verfälscht er die Evangelientexte? Ist der Film eine zeitgenössische Variante der Oberammergauer Passionsspiele? Oder einfach religiös aufgeladenes Schmalz, künstlerisch wertlos?»
Diözese Linz richtet Anfragen an Film
Unter dem Titel «Zehn Anfragen an den Film von Mel Gibson» gibt die Diözese Linz Anstöße zu einer kritischen Auseinandersetzung mit «der Passion Christi» via Internet (www.dioezese-linz.at/pastoralamt/bibelwerk/neueseiten/index.htm.) Dabei ortet Franz Kogler vom Katholischen Bibelwerk zwar viele Schwachstellen und Fragwürdigkeiten bei dem Streifen, hält aber zugleich fest: «Die Chance, in Gesprächen nicht beim Film hängen zu bleiben, sondern den Blick auf Jesus hin zu wenden und selbst den eigenen Standpunkt zu bekennen, besteht alle Mal».
Kritik übt der Bibel-Experte daran, dass Gibson seinem Anspruch auf größtmögliche Authentizität nicht gerecht wird: «Vordergründig vermutet man eine Verfilmung eines der vier Evangelien, tatsächlich ist aber das eigentliche Drehbuch eher eine Evangelienharmonie, wo bunt aus allen vier Evangelien je nach Bedarf herausgenommen wird, was ins Konzept passt. Und wo sich in den Evangelien nichts findet, da wird vor allem das Buch einer Nonne des 19. Jahrhunderts, Anna Katharina Emmerich (1774-1824), herangezogen: Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi». An historischen Informationen sei der Film nicht wirklich interessiert. Sogar bei den verwendeten «Originalsprachen» Aramäisch und Latein gebe es Unstimmigkeiten.
Schwerwiegender seien aber die theologischen Einwände gegen den Film. Schuld, Sünde, Sühne stünden im Mittelpunkt, andere Leitmotive der Bibel wie Vergebung, Liebe und Hoffnung kämen bei Gibson nicht vor: «Jesus steht mit seinem Leben für einen Gott der Nähe und Zuwendung - eine Reduktion des Gottesbildes auf die Gewalt liegt gerade Jesus fern». Die Auferstehung gerät laut Kogler zur «Fußnote», die zentrale Botschaft Jesu vom heilvollen Anbruch des Reiches Gottes fehle ganz. Das Kreuz werde in Mel Gibsons Film als «mediales Gewalt-Spektakel» dargestellt und nicht als Konsequenz der Praxis und der Botschaft Jesu gedeutet.
Kathpress
15. mars 2004