München, 19.3.04 (KAP) Den Münchner Theologen Joachim Gnilka hat Mel Gibsons «Die Passion Christi» nach eigenen Worten «nicht besonders angesprochen». Es gebe zwar erschütternde Szenen, bei denen man nur die Augen zumachen könne, aber am Schluss bleibe die Frage «Worum geht es eigentlich?», sagte der emeritierte Professor für Neues Testament in einem Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» (SZ) in München.
Dazu komme, dass Gibson Blut sehr wichtig nehme. Er bringe es aber in einer fragwürdigen Weise mit dem Abendmahl zusammen, kritisierte Gnilka. Man gewinne bei ihm fast den Eindruck, dass die Christen beim Abendmahl das Blut Jesu trinken würden: «Es sind aber der Tod und die Auferstehung Jesu, die im Abendmahl gegenwärtig werden». Historisch betrachtet sei der Kreuzestod Jesu das am meisten gesicherte Ereignis in dessen Leben, unterstrich der Theologe. Gibsons Schilderung der Brutalität dürfte deshalb zum größten Teil realistisch sein. «Aber ich habe mich beim Zusehen immer gefragt: Was ist hier typisch für Jesus?» Schließlich sei auch der aufständische Sklave Spartakus gekreuzigt worden.
Bezüglich der Antisemitismus-Diskussion erinnerte Gnilka daran, dass die frühen Christen als jüdische Sekte galten. Erst in der gemischt heiden- und judenchristlichen Gemeinde in Antiochia hätten sie den Titel Christen bekommen.
Nach Ansicht Gnilkas hätte Gibson zumindest den Tempelprotest Jesu vorschalten müssen, da sonst der Konflikt zwischen Jesus und den Hohenpriestern überhaupt nicht verstanden werde. Der Grund für das Urteil sei schließlich ein politischer gewesen. Denn Jesus werde vorgeworfen, das Volk aufzuwiegeln, weil er dem Volk angeblich verbiete, dem Kaiser Steuern zu zahlen und sich zum Messias-König gemacht habe. Die Auferstehungsszene im Film, in der Jesus bei Sonnenstrahlen leibhaftig aus dem Grab hinausgeht, hält Gnilka für nicht gelungen. Der Neutestamentler: «Damit wird die Vorstellung erweckt, dass er in das irdische Leben zurückgekehrt sei. Und die ist falsch».
«Frohe Botschaft kommt zu kurz»
Theologische Mängel in Mel Gibsons Jesus-Film hat der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ausgemacht. Die Frohe Botschaft von Gott als liebendem Vater, die Jesus verkündet habe und der er auch im Leiden treu geblieben sei, komme in «The Passion» zu kurz, erklärte Schick am Freitag in Bamberg. Sie drohe in Blut, Brutalität und Grausamkeit unterzugehen. Das Leiden Christi dürfe aber «nicht zum Thriller verkommen».
Der Erzbischof erklärte, für den Glauben sei es besser, die Leidensgeschichte in den Evangelien nachzulesen und mit anderen darüber zu sprechen. Das Beten eines Kreuzwegs oder einer Passionsandacht bringe dem Christen oder einem suchenden Nichtchristen mehr als Gibsons Film. Entscheidend sei, dass Jesus Christus aus Liebe zu den Menschen gestorben sei und nicht, wieviel Blut dabei geflossen sei.
Kathpress
19. mars 2004