Tauran zu UN-Truppen-Entsendung: Es geht jetzt um Stunden, weil das Morden weitergeht
Paris-Dili, 15.9.99 (KAP) Der vatikanische Außenminister Erzbischof Jean-Louis Tauran hat Kritik an der internationalen Gemeinschaft bei der Bewältigung der Osttimor-Krise geübt. Es entstehe der Eindruck, dass mit Blick auf Massaker und Vertreibungen mit zweierlei Maß gemessen werde, sagte Tauran in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der französischen katholischen Tageszeitung "La Croix". Die Gräueltaten hätten verhindert werden können, wenn die politisch Verantwortlichen "die internationalen Mechanismen der Zusammenarbeit überall in gleicher Weise" anwenden würden, so der Erzbischof.
Tauran rief zur schnellstmöglichen Entsendung der UN-Friedenstruppe auf. Es gehe jetzt um Stunden, weil das Morden weitergehe.
Der Erzbischof beklagte, dass kein Religionsführer des Islam die Massaker an Christen und die systematische Zerstörung von Kirchen in Osttimor öffentlich verurteilt habe. Dies gebe zu denken. Papst Johannes Paul II. sei dagegen ein engagierter Verteidiger der Menschenrechte der Muslime in Bosnien-Hercegovina gewesen, als diesen dort das gleiche Schicksal widerfahren sei.
Jesuiten verlangen Aufklärung
Die Jesuiten verlangen von der indonesischen Regierung Aufklärung über die Ermordung ihres Mitbruders Pater Karl Albrecht in Dili. Der 70-jährige Missionar aus dem Allgäu soll in der Nacht zum Sonntag von einem Einbrecher erschossen worden sein; es könnte aber auch andere Hintergründe für die Mordtat geben. Der Provinzial der süddeutschen Jesuiten, P. Bernd Franke, forderte deshalb in Schreiben an die indonesische Botschaft in Bonn und an den deutschen Außenminister Joschka Fischer die Aufklärung des Verbrechens. Zugleich verlangte er verstärkte Anstrengungen zum Schutz der Zivilbevölkerung in Osttimor vor den pro-indonesischen Milizen.
Raub oder Rache?
Plünderer hatten in der Vergangenheit wiederholt versucht, den Wagen von P. Albrecht zu stehlen. Ungeklärt ist, ob der Jesuit das Opfer von Räubern wurde oder ob der Anschlag wegen seines Einsatzes für die Flüchtlinge in Dili verübt wurde. In Albrechts Heimatort Altusried bei Kempten wird am Sonntag von den Jesuiten ein Gedenkgottesdienst für den Ermordeten gehalten.
Militär lagert Beute der Plünderer
Die indonesischen Streitkräfte sind nach Angaben aus kirchlichen Kreisen intensiv an den Exzessen und Brandschatzungen auf Osttimor beteiligt. Militärs plünderten das fast menschenleere Dili zusammen mit einheimischen Gegnern der Unabhängigkeit und "vielen Gangs, die nicht aus Osttimor stammen", heißt es in einem Augenzeugenbericht aus der vom Terror erschütterten Stadt, der die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA am Mittwoch erreichte. Beute werde in Militärgebäuden gelagert und wartet dort auf eine Verschiffung. Die Plünderungsaktivitäten, so der Bericht, sind "enorm, gut vorbereitet und systematisch".
Unterdessen kämen viele der Männer, denen die Flucht aus der Stadt gelungen sei, nachts zurück, um aus Furcht vor einer Vergewaltigungswelle die verbliebenen Frauen und Mädchen zu holen. In der Stadt verbliebene Priester und Ordenschwestern kümmerten sich um verlassene Kinder.
Jetzt droht Hungersnot
Der Terror pro-indonesischer Milizen auf Timor hat nach UN-Angaben bisher 7.000 Menschenleben gekostet. Zwischen 300.000 und 400.000 Menschen sind auf der Flucht. Wie die UN-Welternährungsorganisation FAO mitteilte, sind mehr als ein Viertel der rund 900.000 Osttimoresen vom Hunger bedroht.
Hilfsorganisationen hätten einen "verzweifelten Wettlauf mit der Zeit begonnen", um insbesondere Frauen und Kinder mit Lebensmittel zu versorgen. Dazu sollen auch Nahrungsmittel über Flüchtlingsgebiete aus der Luft abgeworfen werden.
Im UN-Sicherheitsrat fiel Mittwoch früh die Entscheidung über die Entsendung einer UN-Friedenstruppe für Osttimor. Die Vereinten Nationen hatten am Dienstag ihr Hauptquartier in Dili geschlossen. Zuvor waren 1.300 Flüchtlinge und rund 80 UN-Mitarbeiter aus dem Missionsgelände über eine Luftbrücke nach Australien evakuiert worden. Der Leiter der UN-Mission für Osttimor (Unamet), Ian Martin, betonte in Darwin, dass rund ein Dutzend Unamet-Vertreter auf der Insel verblieben sei. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen in Jakarta soll die Unamet-Mission nach der Räumung in Brand gesteckt worden sein.
Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) beklagt Zwangsdeportationen unter der osttimoresischen Bevölkerung. Dem Hochkommissariat lägen Informationen vor, wonach Familien auseinander gerissen würden, sagte UNHCR-Sprecher Kris Janowski in Genf. Dili sei eine Geisterstadt. (Forts.mögl.)
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KI/KAP (KathPress/Katolsk Informasjonstjeneste)