Zu Gast in den Rathäusern von Bethlehem und Nazareth - "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Christoph Strack
Nun haben sie Hochsaison: Bethlehem und Nazareth erwarten große Weihnachtsfeiern, das bedeutet für die beiden Bürgermeister 16-Stunden-Tage. Hanna Nasser (53) steht seit gut zwei Jahren der Geburtsstadt Jesu, Bethlehem, vor; Ramez Geraisie (48) leitet Jesu Heimatstadt Nazareth. Zwei Araber auf Bürgermeisterstühlen, zwei unterschiedliche Charaktere in gegensätzlichen Welten.
An sich liegen zwischen dem palästinensisch autonomen Bethlehem und Nazareth, der größten arabischen Stadt Israels, nur gut 100 Kilometer. Doch es fährt kein Zug, kein Bus, kein direktes Taxi; so sind es mit dem Auto gut 170 Kilometer und quälende dreieinhalb Stunden, und wer die Strecke, die die heilige Familie einst mit Hilfe eines Esels bewältigte, mit öffentlichen Bussen absolvieren will, unternimmt eine "Himmelfahrt" durch das halbe Heilige Land.
Bethlehem, lange Zeit israelisch besetztes Armenhaus im Schatten Jerusalems, hat sich in den vergangenen Monaten mit vielen Millionen Dollar aus dem Ausland rausgeputzt, erst auf den dritten Blick entdeckt der Besucher die nach wie vor bedrückende Armut, die Flüchtlingsquartiere. Nazareth bleibt als arabische Stadt ein Problemkind Israels, da lange Zeit von der Regierung in Jerusalem vernachlässigt. "Vor drei Jahren war unsere soziale Situation schon viel besser", sagt Geraisi; unter der Regierung des im Mai abgewählten Premierministers Benjamin Netanjahu seien dann wichtige Hilfen eingestellt worden, "im sozialen Durchschnitt steht die Bevölkerung sehr schlecht da".
Die beiden ersten Bürger, beide Christen, verkörpern in ihrer Gegensätzlichkeit vieles ihrer Städte: Nasser, ein Mann Yassir Arafats, ist ein typischer palästinensischer Notabler. Als gestandener Textilunternehmer ist er wirtschaftlich und politisch unabhängig, hat emotionalen Abstand zu den Dingen. Geraisie gehört zur Demokratischen Front in Nazareth, also zum linken politischen Lager des Landes. Dies ist für israelische Araber mit Studienabschluss - der Vater dreier Kinder ist Ingenieur - eher typisch.
In dieser Woche war Geraisie, aus Protest gegen die Politik der Regierung mit den Stadtverwaltungen der arabischen Städte Israels im Generalstreik, schwer aufzutreiben: Montag und Mittwoch demonstrierte er in Jerusalem, beim Ministerpräsidenten und beim Finanzminister. Und gleich nach dem Gespräch am Donnerstag geht's wieder los, hinaus zur Straßenblockade. Nicht nur wegen des hässlichen Streits um die umstrittene Errichtung einer Moschee in der Innenstadt steht Nazareth, bei weitem nicht so malerisch wie Bethlehem, als die "Pechmarie" der beiden Jesus-Städte da: Bethlehem hat weltweit 26 Städtepartnerschaften zwischen Köln und Brasilien, Nazareth kommt gerade auf zwei.
Nasser und Geraisie: Was denken die beiden, die sich kaum kennen, über die jeweils andere Stadt? Auf jeden Fall denken sie diplomatisch. "Beide", sagt der Bethlehemit "sind sehr wichtige Stätten Jesu, wie auch Ostjerusalem." Aber in der Geburtsstadt habe sich vor 2.000 Jahren eben doch das "wesentliche Ereignis" abgespielt, sagt Nasser, der als Kleinkind vor der politischen Teilung des Heiligen Landes mit seinen Eltern erstmals Nazareth besuchte. Das interpretiert Geraisi, der erst nach der Besetzung 1967 einige Male nach Bethlehem kam, anders: Welche Stadt wichtiger sei, könne man nicht sagen. "Aber Nazareth ist die Heimatstadt, hier hat Jesus die größte Zeit seines irdischen Lebens, 30 Jahre, verbracht. Sein erster öffentlicher Auftritt war hier."
An diesem Freitag, dem Heiligen Abend, haben sie beide ihren großen öffentlichen Auftritt. In beiden Städten sind großen Paraden vorgesehen. Jesus ist für beide da.
Kathpress