Im Gastland des Papstes herrschen Spannungen zwischen den Bekennern der beiden Religionen, aber die Ursachen sind eher im sozialen Bereich zu suchen - "Kathpress"-Korrespondentenbericht aus Kairo
Kairo, 24.2.00 (KAP) "Mit dem Maschinengewehr in der Hand hat der Priester die Mörderbande angeführt", entrüstet sich ein Scheich der renommierten Kairoer Al Azhar-Universität, wenn die Rede auf die dramatischen Vorgänge im Marktflecken El Kosheh an der Jahreswende kommt. Die Christen stellen den Vorgang in El Kosheh anders dar, sie beschuldigen die Muslime, den Aufruhr angezettelt zu haben, bei dem mehrere Dutzend Menschen den Tod fanden. Sicher ist, dass die meisten Toten bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen in dem oberägyptischen Marktflecken Christen waren. Und obwohl der betreffende Geistliche nach übereinstimmenden Zeugenaussagen an dem besagten Tag nicht einmal in dem Dorf war, hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
Die Ereignisse in El Kosheh sind symptomatisch für die in den letzten Jahren dramatisch verschlechterte Situation zwischen Christen und Muslimen in dem nordafrikanischen Land, dem Papst Johannes Paul II. erstmals einen Pastoralbesuch abstattet. Obwohl Christen und Muslime in Ägypten über eine gemeinsame Kultur und ethnische Abstammung verfügen, ja sogar gemeinsame religiöse Bezüge (bis hin zur Heiligenverehrung) haben, wird das friedliche Zusammenleben durch die Agitation fundamentalistischer Kräfte in Frage gestellt. Die Christen beklagen sich immer wieder über weit reichende Diskriminierungen im gesellschaftlichen und im Arbeitsleben. Internationale Menschenrechtsgruppen fordern die ägyptische Regierung regelmäsig auf, die "organisierte Gewalt" gegen die Christen zu unterbinden.
Es gibt aber auch andere Problemzonen: So ist den Christen Ägyptens vom Gesetz her die Bekehrung von Muslimen untersagt, und auch beim Bau von neuen Kirchengebäuden treten zahlreiche Schwierigkeiten auf. Für eine Sondergenehmigung des Präsidenten müssen zehn Bedingungen erfüllt werden: dazu gehört unter anderem, dass es in der Nähe des Baugrundstücks keine Moschee gibt.
Oft kommt es daher vor, dass islamisch-fundamentalistische Gruppen die langwierigen bürokratischen Vorgänge nutzen, um in der Nähe des ins Auge gefassten Kirchenbaugrunds das Fundament für eine Moschee zur legen. In letzter Zeit, insbesondere aus Anlass des Heiligen Jahres, soll die Regierung in Kairo jedoch Restaurierungsarbeiten in Klöstern und Kirchen ohne besondere bürokratische Hindernisse genehmigt haben.
Der Jesuitenpater Christiaan van Nispen, Professor für Islamstudien und Philosophie am koptisch-katholischen Seminar in Kairo, unterstreicht stets, dass die Spannungen zwischen beiden Glaubensgemeinschaften nicht religiöser, sondern sozialer Natur sind. "Der Graben zwischen Armen und Reichen ist wesentlich wichtiger als der Graben zwischen Muslimen und Christen", erklärt er. Seit Anfang der sechziger Jahre habe sich die ägyptische Gesellschaft radikal verändert, nicht zuletzt durch eine auf medizinischem Fortschritt basierende Bevölkerungsexplosion - in den vergangenen 40 Jahren von 27 auf jetzt 66 Millionen Bürger. Dies habe die Infrastruktur und das Sozialgefüge des Landes stark beeinträchtigt. "Auserdem liegt das Erziehungswesen ziemlich brach, den Schülern wird kein Geschichtsbewusstsein und kein Verständnis für das Anderssein beigebracht", so van Nispen unter diskretem Hinweis auf den Zustand des ägyptischen Bildungswesens.
"Muslimischen Kindern wird teilweise in den Schulen der Hass auf Christen anerzogen", erklärt ein koptischer Priester, der nicht genannt werden will. "Wenn Volksschüler ungestraft christliche Kinder anspucken dürfen, stimmt etwas nicht", so der Geistliche. Und so sehen kirchliche Beobachter in der Einladung an den Papst, Ägypten zu besuchen, eher den Versuch der Regierung, christlich-muslimische Spannungen zu überspielen. "Der Papst würde ja gar nicht in eine Region reisen, wo es Diskriminierungen gibt", erklärt den auch ein Regierungsbeamter im Brustton der Überzeugung. Der Papstbesuch soll offensichtlich den Anschein von Normalität beweisen, die es jedoch im täglichen Zusammenleben nicht gibt.
Für van Nispen liegt der Schlüssel zur Lösung der Probleme im gemeinsamen Aufarbeiten aktueller Fragen. "Wenn ich mit jemandem zusammenarbeite, dann kann ich nicht indifferent sein", erklärt der Jesuit. Gleichzeitig mahnt er die Regierung, sich energischer um die Behebung sozialer Konflikte zu kümmern. Für den koptisch-katholischen Patriarchen Stephanos II. Ghattas muss das Schwergewicht auf den Bildungssektor gelegt werden. Hier habe die katholische Kirche grose Möglichkeiten, da sie 160 Grundschulen mit rund 150.000 Schülern leite. "Dreiviertel dieser Schüler sind Muslime, und sie lernen bei uns auch gegenseitigen Respekt und Verständnis", so der Patriarch.
Die katholischen Schulen werden aufgrund ihrer pädagogischen Qualität und der Lehrinhalte sehr geschätzt. Auserdem gibt es katholische Krankenhäuser und Gesundheitsstationen, die für alle offen sind. Schulen und Krankenhäuser sind Orte, wo ein "Klima des Vertrauens" entstehen kann.
Kathpress