Johannes Paul II. betrat zu den Klängen des Triumphmarsches aus "Aida" den Boden des Nil-Landes - Der Papst lud Christen und Muslime zur Verständigung ein - "Kathpress"-Korrespondentenbericht aus Kairo von Johannes Schidelko
Kairo, 25.2.00 (KAP) Es sollte ein rein religiöses Ereignis sein, eine Pilgerreise auf den Spuren des Moses. Aber der erste Besuch von Papst Johannes Paul II. in Ägypten begann mit einem starken politischen Akzent, mit einem Plädoyer für Frieden im krisengeschüttelten Nahen Osten und für ein harmonisches Zusammenleben der Religionen. Und daran mangelt es mitunter heute auch im 60-Millionen-Staat am Nil, in dem die Christen eine Minderheit von gerade zehn Millionen Bürgern sind.
Zu den Klängen des Triumphmarsches aus Verdis Ägypten-Oper "Aida" entstieg der Papst bei wolkenverhangenem Himmel dem Flugzeug. "As-Salam Aleikum", begrüßte er sichtlich erfreut Präsident Hosni Mubarak. Der Papst unterstrich den religiösen Charakter seiner Pilgerreise - auf den Spuren des Moses zum Sinai. Mit Nachdruck sprach er sich für die Verstärkung des Friedensprozesses im Nahen Osten aus, einschließlich Gerechtigkeit und Menschenrechte für alle. Und dabei lobte er auch die Rolle Mubaraks. Dann forderte Johannes Paul II. aber auch Frieden zwischen den Religionen. Zur Überraschung mancher Beobachter betonte er, dass religiöse Differenzen in Ägypten nie ein Hindernis, sondern eine Bereicherung waren (erst vor wenigen Wochen hatten blutige Zusammenstöße zwischen Kopten und Muslimen in Oberägypten mehrere Dutzend Tote gefordert). Das ägyptische Volk strebe seit Jahrhunderten nach dem "Ideal der nationalen Einheit", so der Papst. Einheit und Harmonie der Nation seien ein kostbarer Wert, den alle politischen und religiösen Führungspersönlichkeiten fördern müßten. Mubarak würdigte seinerseits den Papst als einen Mann, "der Probleme in der Welt, vor allem im Nahen Osten, lösen kann".
Mehrere Tausend christliche Jugendliche waren zur Begrüßung des Papstes auf den Flughafen gekommen. "Willkommen Johannes Paul II.", hieß es auf Spruchbändern. Die christlichen Schulen der 15-Millionen-Metropole Kairo hatten ihren Lehrern und Schülern freigegeben oder den Unterricht verkürzt, damit sie den Papst willkommen heißen konnten. Allerdings waren die Sicherheitsvorkehrungen für den Gast aus Rom sehr stark. Der Flughafen sowie die Straßen, durch die anschließend der Papst-Konvoi fuhr, waren hermetisch abgesperrt und von Polizei und Militär gesichert.
Starke Medienpräsenz
Im Stadtbild der lauten Metropole Kairo fiel der Papstbesuch freilich kaum auf. Einige wenige Fahnen in den Vatikanfarben gelb und weiß - mehr erinnerte nicht an den Gast aus Rom. Dagegen widmeten die Medien dem Papst besondere Aufmerksamkeit - mit hohen Erwartungen. Radio Kairo sprach von einem "Toleranzbesuch". Man erhoffe sich von Johannes Paul II. Impulse für Frieden und Aussöhnung der Menschen und Religionen am Nil. Dazu habe der Vatikan mit der jüngsten Grundsatzvereinbarung mit den Palästinensern bereits einen besonderen Beitrag geleistet, wurde lobend hervorgehoben.
Das ägyptische Fernsehen führte am Donnerstag im "Morgenmagazin" ein langes Interview mit dem deutschen Pfarrer Joachim Schrödel zum Papst. Eine Zeitung zitierte Großscheich Mohammed S. Tantawi von der Al Azhar-Universität mit den Worten: "Der Papst vereint die Religionsführer und arbeitet mit ihnen zusammen für die Ausbreitung von Frieden, Sicherheit und Liebe unter den Menschen". Nach der Begrüßungszeremonie und einer kurzen Ruhepause sollte der Papst dann mit den beiden wichtigsten Religionsführern des Landes zusammen treffen, mit dem koptischen Papst-Patriarchen Schenuda III. und mit Großscheich Tantawi. Beide Begegnungen standen im Zeichen der päpstlichen Bemühungen um einen Neuanfang des Dialogs.
Die Beziehungen zwischen katholischer und koptisch-orthdoxer Kirche sind heute eher gespannt. 1973 hatten beide Kirchen offiziell den Dialog aufgenommen und zahlreiche Übereinstimmungen im Glaubens- und im Sakramentenverständnis bekundet. Seit etlichen Jahren stockt der ökumenische Dialog. Auch mit der Wiener Stiftung "Pro Oriente", die im Dialog mit den Kopten bahnbrechend gewirkt hatte, besteht nicht mehr das herzliche Einvernehmen von einst, weil Papst-Patriarch Schenuda III. daran Anstoss nahm, dass die koptische Kirche in Österreich nicht als Körperschaft öffentlichen Rechts wie die beiden anderen im Land vertretenen altorientalischen Kirchen - die armenisch-apostolische und die syrisch-orthodoxe - anerkannt wurde. Schenuda hatte - noch vor seiner Patriarchenwahl - entscheidend dazu beigetragen, dass 1973 bei den "Pro Oriente"-Gesprächen die "Wiener christologische Formel" entwickelt werden konnte, mit der ein Schlußstrich unter 1.500 Jahre bitterer theologischer Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Orthodoxen auf der einen, "Altorientalen" auf der anderen Seite gezogen werden konnte. Dabei war es nicht um den theologischen Elfenbeinturm gegangen, sondern um eine Frage, die denkende Christen auch heute noch umtreibt: Wie ist es möglich, dass Christus zugleich wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch sein kann?
Für die ägyptischen Katholiken - eine kleine Minorität - ist der Papstbesuch ein besonderes Ereignis. Die Zahl der Katholiken im Land wird mit rund 250.000 angegeben. Fast alle Riten der katholischen Kirche sind vertreten: der lateinische ebenso wie der byzantinische, der koptische ebenso wie der syrische, der armenische und der chaldäische. In Ägypten wirken 15 katholische Bischöfe, 445 Priester und 1.299 Ordensfrauen und -männer. Die Zahl der Priesterstudenten wird mit 111 angegeben.
Nach verschiedenen fehlgeschlagenen "Unions-Versuchen" im Mittelalter war es ab 1741 zur Bildung der koptisch-katholischen Kirche gekommen. Das koptisch-katholische Patriarchat von Alexandrien wurde aber offiziell erst 1895 errichtet. Im späten 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Ägypten - damals ein modernes und pluralistisches Land - Einwanderungsziel für viele Katholiken, vor allem aus Italien und Malta, aber auch aus Kleinasien, Syrien und Palästina. Viele Institutionen der katholischen Kirche am Nil datieren aus dieser Zeit. Nach dem Sturz der Monarchie 1952 mußten viele Katholiken, deren Vorfahren aus dem Ausland eingewandert waren, Ägypten verlassen. In den letzten Jahrzehnten haben oft schwarzafrikanische katholische Zuwanderer die Plätze der vertriebenen "Levantiner" in Pfarrgemeinden und Institutionen eingenommen.
Kathpress