Wiener evangelischer Theologe Körtner in der «Furche»: «Verwunderlich» ist nicht Inhalt von «Dominus Iesus», sondern «ökumenisches Wunschdenken» unter evangelischen wie auch katholischen Christen - Auf religiösen Relativismus haben andere Kirchen auch keine bessere Antwort als Rom
Wien, 19.9.00 (KAP) Zur Ökumene der Kirchen gibt es keine Alternative. Das unterstreicht der Wiener evangelische Theologe Prof. Ulrich Körtner in der jüngsten Ausgabe der «Furche» in einer Stellungnahme zum Dokument «Dominus Iesus» der vatikanischen Glaubenskongregation. Zu den Voraussetzungen für einen gedeihlichen Dialog gehöre allerdings der wechselseitige konfessionelle Respekt. «Den lässt die Vorgangsweise der Glaubenskongregation vermissen», kritisiert Körtner. Dass die Kirchen der Reformation in dem Dokument nicht als «Kirchen im eigentlichen Sinne» anerkannt werden, da sie weder eine gültige Bischofsweihe noch eine vollgültige Eucharistie hätten, müsse «natürlich jene evangelischen Kirchenführer schmerzen, die noch zu Jahresbeginn für den zum Heiligen Jahr ausgesprochenen Ablass ein gutes Wort einlegten und mit dem Papst an die Heilige Pforte pochten, hinter der sie das ökumenische Paradies wähnten».
Darüber hinaus habe Kardinal Joseph Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation, mit seinem Begleitschreiben an die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen «ein wenig Nachhilfe in kirchenpolitischer 'Correctness' gegeben», wie Körtner formuliert. Die Bezeichnung «Schwesterkirchen» sei lediglich für die orthodoxen und mit Rom unierten Kirchen reserviert.
«Verwunderlich» ist für den evangelischen Theologen nicht der Inhalt von «Dominus Iesus», sondern «einzig das ökumenische Wunschdenken», das sowohl unter evangelischen als auch unter katholischen Christen herrsche. Papst Johannes Paul II. und seine Theologen «stehen jedenfalls voll auf dem Boden des Zweiten Vatikanischen Konzils», konstatiert Körtner. Nicht die römisch-katholische Kirche sei «im Sprung gehemmt», spielt er auf einen Buchtitel des Wiener Weihbischofs Helmut Krätzl an, sondern jene vielen Katholiken seien «im Absprung gehemmt, die die theologischen Grundentscheidungen ihrer Kirche noch immer nicht wahrhaben wollen».
Bisantes Thema religiöser Pluralismus
Körtner geht in seinem Kommentar auf das «eigentliche Thema» der Vatikan-Erklärung ein, das es «nicht weniger in sich» habe, nämlich die «umstrittene sogenannte pluralistische Theologie der Religionen», die den Universalanspruch des Christentums relativiert. Körtner rechnet hier mit ähnlich harten Auseinandersetzungen wie um die Befreiungstheologie, die nicht nur der Vatikan zu führen habe: «Wer angesichts des postmodernen Pluralismus und Synkretismus im selben Glashaus wie die römische Kirche sitzt, sollte besser nicht mit Steinen werfen». Rom habe ein Sachthema in Erinnerung gerufen, für das die übrigen Kirchen «noch keineswegs eine überzeugendere Antwort gefunden» hätten. Alle stünden vor der gemeinsamen Aufgabe, angesichts des religiösen Pluralismus eine wahrhaft ökumenische Ekklesiologie (Lehre von der Kirche) zu formulieren, die sich nicht länger um die missionarische Dimension des Christentums «herummogelt», so Körtner.
Der Theologe erinnert als Beispiel für die Brisanz des Themas an die «Absurditäten» bei so manchen Dialogveranstaltungen, bei denen der universale Geltungsanspruch des Christentums massiv attackiert werde, während das Publikum bereitwillig akzeptiere, dass Vertreter anderer Religionen das Podium völlig ungeniert «zu einer Missionsveranstaltung umfunktionieren».
Vatikan will «Machtanspruch ausbauen»
Für den steirischen evangelischen Superintendenten Hermann Miklas ist hinter «Dominus Iesus» die Absicht «unverkennbar», dass die katholische Kirche damit auch «ihren theoretischen und praktischen Machtanspruch innerhalb der Christenheit weiter ausbauen» wolle. Die zeitliche Nähe des Dokuments zur Seligsprechung von Papst Pius IX. unterstreiche diese Intention «auf subtile, aber wirkungsvolle Weise», so Miklas laut «Evangelischem Pressedienst». Es sei bedauerlich, das mit der Vatikan-Erklärung «ein Keil in die Ökumene getrieben» werde. Das Evangelium von Jesus Christus werde durch die Glaubenskongregation zu stark mit der Institution Kirche gleichgesetzt, kritisierte Miklas: «Wer mit der Berufung auf die Einzigartigkeit Jesu Christi gleich auch die eigene Institution als eine den anderen Religionsgemeinschaften überlegene darstellen will, muss sich wohl den Vorwurf der Überheblichkeit gefallen lassen».
Kathpress