Rom, 25.9.00 (KAP) Prominente Vertreter der italienischen Juden haben sich kritisch über jüngste Entscheidungen und Dokumente des Vatikans geäußert. Gleichzeitig begrüßten sie die Entscheidung des Oberrabbiners Elio Toaff, das für 3. Oktober geplante Dialog-Treffen zwischen katholischen und jüdischen Repräsentanten abzusagen. Die ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinden Italiens, Tullia Zevi, sagte der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera", die Absage sei nach eingehender Beratung und keineswegs aus einer Emotion heraus beschlossen worden. Es handle sich um einen Ausdruck der "Verbitterung" auf jüdischer Seite über mehrere vatikanische Entscheidungen.
Zevi erläuterte, die Seligsprechung von Papst Pius IX. sei eine "kalte Dusche" gewesen, da dieser Papst ein jüdisches Kind seinen Eltern entzogen und zwangsweise christlich erzogen habe. Dann sei das von Kardinal Joseph Ratzinger veröffentlichte Dokument "Dominus Iesus" hinzu gekommen. In diesem Text werde "der absolute Primat der katholischen Religion" unterstrichen, während alle anderen Religionen als "schwerwiegend defizitär" bezeichnet würden.
Zwt: "Ältere Brüder der Christen"
Der Präsident der jüdischen Gemeinde in Rom, Leone Paserman, sagte dem "Corriere" zufolge, die jüngsten Äußerungen der Kirche seien "überraschend" und stünden im Gegensatz zu den "mutigen Schritten" von Johannes Paul II. Der Papst habe bei seinem Besuch der Synagoge von Rom die Juden als ältere Brüder der Christen bezeichnet. Wenn Ratzinger nun behaupte, das Heil könne allein in der Taufe erreicht werden, bedeute dies eine Rückkehr zu den Zeiten Pius IX. und seiner Zwangsbekehrung des jüdischen Kindes Edgardo Mortara. (Schluss)
Kathpress