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Publisert 29. september 2000 | Oppdatert 29. september 2000

Utl: Die Heiligsprechung der chinesischen Märtyrer am Nationalfeiertag der Volksrepublik könnte eine dramatische Verschlechterung der Situation der Kirche in China zur Folge haben - Hintergrundbericht von Franz Morawitz=

Rom, 29.9.00 (KAP) Von allen Selig- und Heiligsprechungen des Heiligen Jahres ist die am 1. Oktober die politisch umstrittenste: 120 katholische Märtyrer, 87 Chinesen und 33 China-Missionare, von denen die meisten beim "Boxer-Aufstand" vor 100 Jahren getötet wurden, wird Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz zu Heiligen der katholischen Weltkirche erklären. Die Heiligsprechung erinnert daran, dass Christsein in China nie einfach gewesen ist. Und in jüngster Zeit ist es wiederum schwieriger geworden.

Die Anfänge des Christentums in China gehen auf die Glaubensverkündung durch syrische und mesopotamische Mönche im 7. und 8. Jahrhundert zurück. In der Mongolenzeit im Mittelalter fasste die katholische Kirche erstmals in China Fuß (es gab damals bereits eine Erzdiözese Peking); eine neue Blütezeit der katholischen China-Mission gab es vom Ende des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die Präsenz der Jesuiten und anderer Ordensleute in China bewirkte auch einen intensiven Kulturaustausch, der sich nicht nur im ästhetischen Bereich auswirkte - die Pekinger Barockbaukunst einerseits, die "Chinoiserien" im Europa des Rokoko andererseits -, sondern auch die Geistesgeschichte beeinflusste. Die von den Jesuiten in Europa bekannt gemachten Werke des Konfuzius und anderer Repräsentanten der "natürlichen Religion" Chinas und ihrer rationalen Ethik dürften nicht wenig zur Ausbildung des Aufklärungsdenkens beigetragen haben.

Der "Ritenstreit" - das römische Verbot der Ausübung der zivilen Riten der Ahnenverehrung durch die chinesischen Katholiken - führte im 18. Jahrhundert zu staatlichen Repressionsmaßnahmen. Um 1814 wurden auch die historischen katholischen Kathedralen in Peking behördlich geschlossen, jedoch existierte die katholische Kirche weiter.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es dann zur großen missionarischen Offensive in China - mit einem erbitterten "Konkurrenzkampf" zwischen der katholischen Kirche und verschiedenen protestantischen Gemeinschaften, vor allem aus dem angloamerikanischen Raum. In dieser Zeit wurde den Christen eine enge Verflechtung mit den kolonialen und imperialistischen Kräften vorgeworfen, die China in Interessensphären aufgeteilt hatten. Während des Boxeraufstandes (1900/1901) starben Tausende von Christen.

Eine erneute Christenverfolgung begann nach der Machtübernahme durch die Kommunisten 1949. Nach und nach wurden ausländische Missionare des Landes verwiesen und alle Religionsgemeinschaften unter die strenge Kontrolle des Staates gestellt. 1957 wurde allen Christen, insbesondere jedoch den Katholiken, mit der Begründung, das Christentum sei von kapitalistischen Imperialisten missbraucht worden, jeglicher Kontakt zum Ausland verboten.

Seither dürfen die protestantischen Christen einzig im Rahmen der staatlich genehmigten "Drei-Selbst-Bewegung" - Selbst-Erhaltung, Selbst-Verkündigung und Selbst-Verwaltung - tätig sein. Katholiken ist offiziell nur in der regimenahen "Chinesischen Katholischen Patriotischen Vereinigung" die Glaubensausübung erlaubt.

Während der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 wurde das Christentum blutig verfolgt. Erst nach dem Tod Mao Tse Tungs 1976 begann mit der vorsichtigen Öffnung zum Westen der Wiederaufbau der christlichen Kirchen, allerdings nach wie vor unter strenger Kontrolle der Regierung. So lehnt Peking weiterhin jegliche Einflussnahme des Vatikans, insbesondere bei Bischofsernennungen, ab.

Nach seriösen Schätzungen soll es heute in der Volksrepublik China zwölf Millionen Untergrundkatholiken und vier bis fünf Millionen "patriotische" Gläubige geben. Die Zahl der Protestanten wird auf bis zu 40 Millionen geschätzt. Wesentlich höher ist die Zahl der "Kultur-Christen", die in Jesus ihre zentrale religiöse Identifikationsgestalt erblicken und die christliche Ethik hoch schätzen, vor dem Eintritt in eine kirchliche Gemeinschaft aber zurückschrecken.

Zwt: Die Untergrundkirche jubelt

Der jetzt eskalierende Konflikt zwischen Peking und dem Vatikan ist vor allem durch die kommunistische Religionspolitik bedingt. Sie zwingt allen Religionen immer neue "Vorschriften" auf. Aber auch Missverständnisse, fehlende Transparenz und manche Schritte der vatikanischen Politik haben dazu beigetragen.

Seitdem der Vatikan im vergangenen Jahr seine Bereitschaft erklärt hatte, die Nuntiatur nach Peking zu verlegen, wird die Untergrundkirche ziemlich brutal gedrängt, nicht nur aus den "Katakomben" zu kommen, sondern auch den Führungsanspruch der "Chinesischen Katholischen Patriotischen Vereinigung" zu akzeptieren. Da sich die Untergrundkirche weigert, werden Bischöfe, Priester und Laien verhört und verhaftet, religiöses Schrifttum wird konfisziert. Ein Sprecher des Außenministeriums drohte im Zusammenhang mit den Heiligsprechungen, die Sache werde Folgen haben. Für die Priester und Bischöfe der "Untergrund-Katholiken" bedeutet dies, dass sie wieder mit Hausarrest, Verhaftungen oder gar Folter rechnen müssen.

Aber: Obwohl von einem erträglichen Leben keine Rede sein kann, jubeln die Untergrundkatholiken über die Heiligsprechungen. Für sie bedeuten sie vor allem Ermutigung.

Die offizielle "patriotische" Kirche bleibt von den Spannungen nicht verschont: Unter dem Druck des Religionsbüros müssen Bischöfe geweiht werden, was die Aussichten auf Versöhnung mit dem Heiligen Stuhl mindert. Wo es bisher keine "patriotischen" Gemeinschaften gab, werden Bischöfe der offiziellen Diözesen gezwungen, solche zu gründen. Weigert sich einer der "patriotischen" Bischöfe (von denen insgeheim nicht wenige von Rom anerkannt sind), derartige "Wünsche" zu erfüllen, wird sein Wirken fast lahm gelegt: keine Besuche in der Diözese, keine Priesterweihen, keine ausländischen Lehrer im Priesterseminar, keine Auslandsreisen usw.

Zudem werden die offiziellen Bischöfe gezwungen, im Zusammenhang mit der Heiligsprechung am 1. Oktober öffentlich antipäpstliche und antivatikanische Erklärungen abzugeben. Denn die Feier fällt auf den Nationalfeiertag der Volksrepublik China: für die Regierung in Peking eine Provokation. Die meisten Märtyrer seien während des "antikolonialistischen und antiimperialistischen" Boxeraufstandes 1900 als "Agenten der fremden Mächte" gestorben, lautet die offizielle Pekinger Lesart. Ihre Heiligsprechung sei ein klares Zeichen der "alten Politik des Vatikans".

Zwt: Erklärungsversuche ohne Erfolg

Der Vatikan machte Erklärungsversuche - aber ohne Erfolg. An eine zufällige Terminüberschneidung will niemand glauben. Vielmehr wird sie als Antwort auf unerlaubte "patriotische" Bischofsweihen in Peking am 6. Jänner gesehen, die zeitgleich mit Bischofsweihen durch den Papst stattfanden. Das Denken in Symbolen und Zeichen - ein gemeinsamer Code für die chinesische wie für die vatikanische Tradition - macht platte Erklärungsversuche unglaubwürdig. Auch die China-Reise von Kurienkardinal Roger Etchegaray vor wenigen Tagen und eine schriftliche Stellungnahme des Vatikans trugen keineswegs zur Entspannung bei.

Dass sich der Vatikan durch Drohungen nicht beeinflussen lässt, hängt mit der "Politik des langen Atems" zusammen. Seit Tagen erläutert der "Osservatore Romano" in langen Leitartikeln die Haltung der Päpste zu China. Dabei kommt auch der wunde Punkt aus der Geschichte zur Sprache, den Pekings Propaganda auszunutzen versucht: Die einstige Zusammenarbeit der Missionare mit westlichen Kolonialmächten, die China ausbeuteten. Der Vatikan und die Missionsorden distanzieren sich heute von der kolonialen Politik, und sie argumentieren, dass die zivilen Opfer der anti-westlichen Gewaltwellen in China nicht mit den Aggressoren aus dem Westen in einen Topf geworfen werden dürften.

Zwt: Auch "Vaterlandsverräter"?

Ob die Opfer der anti-westlichen Boxer-Aufstände - damals wurden Tausende chinesische Christen getötet - nun tatsächlich Märtyrer oder aber "Vaterlandsverräter" waren, ist hundert Jahre nach den Ereignissen ebenso brisant wie damals. Mit seiner Heiligsprechung der 120 China-Märtyrer, die er - Zufall oder nicht - ausgerechnet am Gründungstag der Volksrepublik China vornimmt, demonstriert Papst Johannes Paul II. sein Urteil über die Geschichte, aber auch, dass aus seiner Sicht Chinas Katholiken weiter zur römisch-katholischen Weltkirche gehören. Die Bitten um eine Heiligsprechung seien von chinesischen Bischöfen gekommen, ließ der Vatikan verlauten.

Dass die Einheit der Kirche aus der Sicht Roms fortbesteht, machte auch der französische Kurienkardinal Roger Etchegaray in der vergangenen Woche durch eine höchst symbolische Handlung bei seinem umstrittenen China-Besuch deutlich. Er feierte im Marienheiligtum von Sheshan bei Shanghai gemeinsam mit "patriotischen" Priestern die Eucharistie.

Zwt.: Papst demonstriert Eigenständigkeit

Johannes Paul II. demonstriert mit seinem Festhalten an der Heiligsprechung, dass nach katholischer Auffassung kein Staat, und sei er auch der größte der Erde, der Kirche in Glaubensdingen etwas vorschreiben kann. Er führt die Eigenständigkeit der Kirche aller Welt vor Augen - eine Eigenständigkeit, die der Vatikan langfristig auch in China für die Christen durchsetzen will. Die Machthaber in Peking scheint gerade dies in Rage zu bringen.

Die Konsequenzen werden schwerwiegend sein, wie kirchliche "China-Watchers" befürchten. Die katholische Kirche sei auf den Stand von vor 20 Jahren zurückgeworfen, als die "patriotischen" Bischöfe rituelle Erklärungen gegen die "imperialistischen Machenschaften" des Vatikans abgeben mussten. Es könnte sein, dass als Konsequenz der Heiligsprechung der Märtyrer von einst neuerlich chinesische Katholiken ihre Treue zu Glauben, Kirche und Papst "bis aufs Blut" bezeugen müssen...(Schluss)

Kathpress

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