Das Konzept hinter den "biblischen Pilgerreisen" Johannes Pauls II.
"Kathpress"-Korrespondentenbericht aus Rom von Johannes Schidelko
Vatikanstadt-Athen-Damaskus, 3.5.01 (KAP) Es war ein ehrgeiziges und strapaziöses Projekt, das sich Papst Johannes Paul II. für 2000 vorgenommen hatte. Zum Heiligen Jahr wollte er - Alter und Krankheit zum Trotz - große Wallfahrten auf den Spuren der Bibel unternehmen: Zu den Stätten des Moses am Sinai, zum Jordan Johannes des Täufers, zu den Stätten Jesu im Heiligen Land, und jetzt zu denen des Apostels Paulus - ganz spirituell, rein meditativ, ohne Politik und Protokoll. Freilich haben Papstreisen neben einer religiösen stets auch eine politische Dimension.
Die dritte und letzte dieser Pilgerreisen ist der frühen Kirche gewidmet, den vom Wirken des Apostels Paulus geprägten ersten Jahrzehnten nach Christi Auferstehung und Himmelfahrt. Auch bei dieser Reise fordert das Protokoll seinen Tribut.
Wegen dringender Verpflichtungen des griechischen orthodoxen Primas Erzbischof Christodoulos kann die 93. Auslandsreise des Papstes nicht der biblische Chronologie folgen: Anders als Paul besucht Johannes Paul erst Athen und dann Syrien. Zum Abschluss dann die Erholungsetappe - die Insel Malta. Die Reise ist insgesamt eine politische, ökumenische und interreligiöse Herausforderung ersten Ranges.
Zum ersten Mal besucht Johannes Paul II. Griechenland, dessen orthodoxe Landeskirche bislang zu Rom bewusst auf Distanz war. In Damaskus betritt er zum ersten Mal den Boden eines arabischen "Frontstaates", der noch keinen Frieden mit Israel gemacht hat. Eine Premiere ist in der syrischen Hauptstadt auch der erste Papst-Besuch in einer Moschee.
Es war eine Sensation, dass die Etappe nach Athen überhaupt noch ins päpstliche Reiseprogramm Eingang fand. Lange Zeit sperrte sich die einflussreiche orthodoxe Kirche. Als Staatspräsident Konstantinos Stephanopoulos dann offiziell den Papst einlud, um damit auch die europäische Öffnung seines Landes zu bekunden, rangen sich die 79 Metropoliten des Heiligen Synods doch zu einem "Nihil Obstat" durch: Es gab zwar keine Einladung der griechischen Orthodoxie an den Papst. Aber man ließ wissen, dass man sich seiner Paulus-Pilgerfahrt nicht widersetzen wollte.
Athen ist die ökumenisch schwierigste Station für den Papst auf dieser Reise. Seit Wochen demonstrieren und protestieren orthodoxe Hardliner wie die "Altkalendarier" oder auch die Athos-Mönche gegen den "Gegner Griechenlands und Gegner der Orthodoxie". Und es gibt auch Attentatsdrohungen. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Kathedrale der katholischen Minderheit, aber auch am Areopag, wo einst der Apostel Paulus gepredigt hatte, sind scharf. Am Programm wurde bis zuletzt gefeilt. Und da es kein gemeinsames Gebet der getrennten Christenführer geben soll, darf man gespannt sein, ob es zu einem gemeinsamen Appell für Europa reicht.
Kaum weniger brisant ist der anschließende Besuch in Syrien. Dort werden das Militär und die allgegenwärtigen Geheimdienste dafür sorgen, dass dem Gast aus Rom nichts zustößt. Ökumenisch ist das Terrain trotz der Vielfalt christlicher Kirchen hier bedeutend einfacher als in Athen. Die Christen, die in Syrien eine relativ gut gelittene Minderheit von mehr als zehn Prozent bilden, hatten den Papstbesuch gemeinsam vorbereitet.
In Damaskus will der Papst auch zum ersten Mal das Innere einer Moschee betreten. In der berühmten Omayyaden-Moschee, der früheren Johannes-Basilika, will er die Gedenkstätte mit den Reliquien von Johannes dem Täufer aufsuchen. Bei einer anschließenden Begegnung mit islamischen religiösen Führungspersönlichkeiten will er einen neuen Anlauf im schwierigen Gespräch mit dem Islam unternehmen.
Der bedeutsamste "politische" Teil der 93. Auslandsreise ist dann der Besuch auf den größtenteils von Israel besetzten Golan-Höhen. In der zerstörten Stadt Kuneitra, die Israel nach dem Jom-Kippur-Krieg 1974 im Rahmen eines Entflechtungsabkommens an Syrien zurückgab, will er in der orthodoxen Kirche ein Friedensgebet sprechen.
Kuneitra ist für Syrien ein von vielen Emotionen besetztes nationales Symbol. Aber wie bei früheren Besuchen in der Region wird sich der Papst sicher auch hier nicht politisch einseitig vereinnahmen lassen. Sein Appell für einen gerechten und sicheren Frieden wird allen Konfliktparteien gelten.
Die Bibel spielt bei dieser Riese wiederum eine zentrale Rolle: Vor den Toren von Damaskus hatte der Apostel sein dramatisches Bekehrungserlebnis. Nach diesem radikalen Umbruch wurde Paulus der entschiedenste Verfechter der Sache Jesu. Und da er mit hellenistischer Kultur und Bildung vertraut war, Griechisch sprach und dachte, da er von Geburt an die römische Staatsbürgerschaft besaß und als der Intellektuellste unter den Aposteln galt, war er für eine besondere Aufgabe prädestiniert: Er sollte die junge Kirche aus den Grenzen des Judentums und des palästinensischen Raums hinaus in die Zentren der Welt führen, bis nach Rom.
Über Denken, Worte und Taten des Paulus berichtet die Bibel ausführlich. Nach der Bekehrung vor Damaskus (um 31/32) hat er sich zunächst nach Arabien zurückgezogen. Nach drei Jahren besuchte er Jerusalem, wo er erstmals Petrus traf. Für 14 Jahre ging er dann nach Syrien und Kilikien. Er wirkte vor allem in der Weltstadt Antiochien, wo die Anhänger Jesu zum ersten Mal Christen genannt wurden.
Paulus betrieb eine planmäßige Mission vor allem in den Zentren des Mittelmeerraums. Zunächst richtete er sich an die Juden, Anlaufstellen waren die Synagogen. Schließlich wandte er sich aber an die Heiden. Das "Apostel-Konzil" im Jahre 48 war eine Bewährungsprobe für ihn als Abgesandten von Antiochien. Es entschied gegen die von Petrus mitgetragene Forderung, dass Christen sich nach der Taufe dem Gesetz des Moses zu unterwerfen hätten.
Bei seiner zweiten Missionsreise betrat der Heidenmissionar Paulus erstmals europäisches Festland. Er predigte in Philippi, Saloniki und Athen. Auf dem Areopag sprach er vom "unbekannten Gott", fand damit aber wenig Interesse seiner Zuhörer. Als er um das Jahr 55/56 wieder nach Jerusalem kam, wurde er wegen angeblicher Tempelschändung verhaftet, als römischer Bürger jedoch zum Prokurator Felix nach Caesarea geschickt. Dort saß er zwei Jahre im Kerker. Er appellierte an den Kaiser und wurde - in gefahrvoller Seefahrt mit Schiffbruch vor Malta - nach Rom gebracht. Dort stand er zwei Jahre lang unter Hausarrest. Dann verlieren sich die Spuren des Völkerapostels. Zwischen 64 und 67 ist er dann in Rom den Martyrertod gestorben. Sein Grab wird in der Basilika San Paolo fuori le Mura verehrt.
Während also Paulus Malta in traumatischer Erinnerung hatte, wird der Besuch der Insel für den Papst vergleichsweise erholsam sein. Auf der zu 95 Prozent katholischen Mittelmeerinsel wird er eine große Messe mit feierlicher Seligsprechung feiern. Aber in Malta, das immer eine Brückenfunktion hatte, wird er sicher die nahen Krisenherde in Nordafrika in den Blick nehmen.
Kathpress
3. mai 2001