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Publisert 19. mai 2002 | Oppdatert 19. mai 2002

«Vorsätzliches Töten eines Menschen ist zulässig geworden»

Brüssel, 17.5.02 (KAP) Nach den Niederlanden hat auch Belgien am Donnerstag abend die aktive Sterbehilfe legalisiert. Die belgischen Bischöfe wiesen das neue Euthanasiegesetz ihres Landes scharf zurück. Damit sei Belgien zu einem der wenigen Länder der Erde geworden, in denen das vorsätzliche Töten eines Menschen zulässig geworden sei, beklagten die Bischöfe in einer in Freitag in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Das Euthanasiegesetz wurde mit der Mehrheit der Regierungsparteien vom Abgeordnetenhaus verabschiedet. Für das Gesetz stimmten 86 Abgeordnete, 51 votierten dagegen, 10 enthielten sich. Die Christdemokraten kündigten eine Klage vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof an. Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es noch von König Albert II. unterzeichnet und im Amtsblatt veröffentlicht werden. Der belgische Senat hatte dem Gesetz bereits im Oktober zugestimmt.

Nach den neuen Bestimmungen soll Euthanasie dann straffrei bleiben, wenn der Wunsch nach lebensbeendenden Maßnahmen von einem an einer unheilbaren Krankheit leidenden Patienten bei Bewusstsein mehrfach und freiwillig schriftlich oder vor Zeugen geäußert wird. Demenzkranke sollen nicht aktive Sterbehilfe beantragen können. Unter Umständen ist eine vorher verfasste schriftliche Willensbekundung ausreichend, wenn der Patient seinen Willen nicht mehr äußern kann. Eine schriftliche Willensbekundung darf nicht älter als fünf Jahre sein und kann jederzeit widerrufen werden. Mehrere Gespräche des Arztes mit seinem Patienten sind verpflichtend. Dabei muss der Kranke über seinen Zustand, die mögliche weitere Behandlung und mögliche sterbebegleitende Versorgung informiert werden.

Um lebensbeendende Maßnahmen erbitten zu können, muss der Kranke nicht in der Endphase der Krankheit sein. Zwischen dem Wunsch nach Sterbehilfe und lebensbeendenden Maßnahmen muss ein Monat vergehen. Der Arzt muss laut dem Gesetz einen Kollegen zur Beratung heranziehen; auch müssen das Pflegepersonal und die Angehörigen angehört werden. Eine Kontrollkommission soll alle Fälle von aktiver Sterbehilfe prüfen und im Zweifelsfall die Staatsanwaltschaft einschalten. Die Staatsanwaltschaft kann aber auch von sich aus eine Ermittlung beginnen, wenn sie den Verdacht auf strafbare Handlungen hat.

Attacke auf das Herz der Menschenwürde

Die Bischöfe schrieben zum Euthanasiegesetz, es sei sonst nirgendwo zulässig, auch Menschen das Leben zu nehmen, die noch etliche Lebensjahre vor sich hätten. Denn das Gesetz solle auch für Kranke gelten, die nicht in der Endphase ihres Leidens seien.

An die Christen appellieren die Bischöfe, «den Respekt des Lebens in den Mittelpunkt ihres Lebens und Handelns in der Welt zu stellen». Auch zahlreiche Nicht-Christen teilten diese Auffassung.

Das neue Gesetz sei «eine Attacke auf das Herz einer auf Menschenwürde und Zivilisation gegründeten Gesellschaft», heißt es in der Erklärung der Bischofskonferenz. Menschenwürde werde nicht länger an der Existenz des Lebens selbst gemessen, sondern an der Lebensqualität. Damit räume der belgische Staat ein, dass es Leben gebe, das mehr wert sei als anderes. Es bleibe der subjektiven Auffassung des Kranken und anderer Personen überlassen, über diese Lebensqualität zu befinden.

Die Bischöfe äußerten die Befürchtung, dass es zu Druck auf Kranke könnte, damit sie den Wunsch nach lebensbeendenden Maßnahmen formulieren. Zugleich werde das Berufsbild des Arztes drastisch verändert. Zwar sehe das Gesetz vor, dass niemand zur Beteiligung an aktiver Sterbehilfe gezwungen werden könne. Es sei aber zu befürchten, dass etwa auf solche Krankenhäuser Druck ausgeübt werde, die aktive Sterbehilfe auf Grund ihrer weltanschaulichen Überzeugung verweigerten.

Ausdrücklich wiesen die Bischöfe den Vorwurf zurück, sie wollten Menschen unnützem Leiden aussetzen. Die Kirche wende sich gegen eine nutzlose Verlängerung des Leidens und die Fortsetzung der medizinischen Behandlung bei Aussichtslosigkeit des Falles. Wenngleich bestimmte Schmerztherapien zu einem früheren Lebensende führen könnten, so bestehe doch ein grundlegender Unterschied zur Tötung auf Verlangen.

Die Bischofskonferenz plädierte für einen Ausbau der sterbebegleitenden Medizin, der so genannten Palliativmedizin. Dafür müssten erheblich mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ein Gesetzentwurf zum Ausbau der Palliativmedizin war am Donnerstag abend mit angenommen worden. Auch dieser Entwurf war bereits im Oktober vom Senat verabschiedet worden.

Danach sollen Patienten ein Recht auf Sterbebegleitung haben, wenn alle Heilungsmöglichkeiten erschöpft sind. Jeder Patient habe zudem das Recht, genau über seinen Gesundheitszustand informiert zu werden.

Niederlande waren Vorreiter

Vorreiter der neuen Euthanasie in Europa waren die Niederlande. 1991 hatte sich die Niederländische Ärztevereinigung und das Justizministerium auf ein freiwilliges Meldeverfahren für Euthanasie und medizinisch begleiteten Selbstmord geeinigt. Der christdemokratische Justizminister Ernst Hirsch-Ballin erklärte, dass Ärzte bei einer «verantwortlichen Sterbehilfe» keine Strafverfolgung mehr befürchten müssten, obwohl Euthanasie an sich strafbar bleibe. 1993 wurde die Meldepflicht eingeführt; 1999 legte das niederländische Kabinett einen Gesetzentwurf vor, nach dem Staatsanwälte in Euthanasiefällen nur noch ausnahmsweise tätig werden und Ärzte Euthanasiefälle nur noch an die dafür eingerichteten Kommissionen melden müssen. In Ausnahmefällen sollen auch Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren ohne Zustimmung der Eltern Euthanasie verlangen dürfen. Im gleichen Jahr brachten auch die belgischen Regierungsparteien einen Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe ein.

Im November 2000 beschloss das niederländische Parlament schließlich die Freigabe der Euthanasie unter bestimmten Voraussetzungen. Vor genau einem Jahr stimmte auch das Oberhaus (Erste Kammer des Parlaments) zu. Damit konnte das weltweit erste Gesetz zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe mit April 2002 in Kraft treten. Der belgische Senat beschloss im Oktober 2001 die Straffreiheit der Sterbehilfe.

Zwischen dem belgischen und dem Anfang April in Kraft getretenen niederländischen Gesetz gibt es große Übereinstimmungen. Allerdings geht die belgische Regelung nach Einschätzung von Fachleuten noch über die niederländischen Vorschriften hinaus. So erlaubt der Text auch eine Tötung auf Verlangen für unheilbar kranke Patienten, die nicht in absehbarer Zeit sterben werden. Deutlicher als die Niederländer befürworten die Belgier zudem, dass auch schwere psychische Probleme aktive Sterbehilfe begründen können.

Kathpress
17. mai 2002