Mit der Heiligsprechung des «Hermano Pedro» rückt Johannes Paul II. ein vergessenes Kapitel der Geschichte Lateinamerikas wieder ins Bewusstsein
Ciudad de Guatemala, 30.7.02 (KAP) Mit der Heiligsprechung des Ordensgründers «Hermano Pedro» im Hippodrom von Ciudad de Guatemala hat Papst Johannes Paul II. einen Zeugen der glanzvollen und tragischen Geschichte der katholischen Kirche in Lateinamerika gewürdigt. Diese Geschichte wird außerhalb des Kontinents kaum wahrgenommen oder nur durch ideologische Brillen gesehen.
Die Gestalt des Pedro de San Jose de Betancur zeigt, welche Möglichkeiten des christlichen Zeugnisses es im iberischen Amerika des 17./18. Jahrhunderts gab. Denn «Hermano Pedro» wird zwar als Ordensgründer bezeichnet, aber er war weder Priester noch Ordensmann im eigentlichen Sinn. Der 1624 auf Teneriffe geborene Pedro de San Jose de Betancur gelangte 1651 nach Guatemala, in die damalige imposante Hauptstadt Antigua. Er war nicht gebildet, hatte in Havanna das Weberhandwerk erlernt; aber er wollte sich zugleich ganz in den Dienst Christi stellen. Sein Beichtvater riet ihm, bei den Jesuiten in Antigua das Studium aufzunehmen. Sozusagen als «Werkstudent» inskribierte Pedro, saß Tag und Nacht über den Büchern - und machte keinerlei Fortschritte in der lateinischen Grammatik. Nach drei Jahren musste er erkennen, dass der Weg zum Priestertum für ihn nicht offen war.
Er schloss sich zunächst der Marianischen Kongregation an, dann dem Dritten Orden der Karmeliten. Im Jänner 1655 trat er in den Dritten Orden der Franziskaner ein. Er glaubte, beim Bau des neuen Kalvarienbergs in Antigua sein Ziel gefunden zu haben. Seine Biografen berichten, dass ihm dann ein bejahrter Schwarzer, dem er geholfen hatte, den Weg wies: «Gott hat Euch nicht in dieses Land geführt, um Euch des Kalvarienbergs anzunehmen. Geht hinaus auf die Straßen, wo es viele Arme und Not leidende gibt, denen Ihr helfen könnt».
1658 begründete er im bescheidenen Haus der Maria Esquivel ein vielfältiges Sozialwerk: Gratis-Schule mit Katechese für die Straßenkinder, Heim für mittellose Studenten, Pflegespital für Langzeitkranke und Rekonvaleszenten. Wohlhabende «kastilische» und «indianische» Familien der Stadt sorgten für die Mahlzeiten, alles Übrige erbettelte sich «Hermano Pedro» auf den Straßen. Er kümmerte sich um Kranke und Gefangene, um Fremde und Prostituierte, auch um Priester in Schwierigkeiten. Sein Werk stellte er unter den Schutz «Maria von Bethlehems». Sein Lebensstil zieht andere Mitglieder des Dritten Ordens der Franziskaner an, sie wollen sich mit ihm in den Dienst der «Verlassenen und Enterbten» stellen. So entsteht eine neue Ordensgemeinschaft, der Hospitalorden von Bethlehem, eine der wenigen Ordensneugründungen im kolonialen Amerika.
Noch war es nicht so weit. Aber wenige Tage vor seinem Tod mit 41 Jahren am 25. April 1667 empfahl Hermano Pedro seinen Mitbrüdern, einen Oberen zu wählen - und schlug ihnen Bruder Rodrigo de la Santa Cruz vor. Dieser Bruder hatte - bevor er Pedro begegnet war - den glanzvollen Namen Rodrigo de Arias y Maldonado, Marquis von Talamanca und königlicher Gouverneur von Costa Rica, getragen. Bruder Rodrigo gelang es, stufenweise die kirchliche Anerkennung für die neue Gemeinschaft zu erlangen, zunächst als Bruderschaft, dann 1687 die päpstliche Anerkennung als Kongregation nach der Regel des Heiligen Augustinus. Den drei üblichen Ordensgelübden wurde ein viertes hinzugefügt: Die Verpflichtung, sich um Kranke - «gleichgültig ob sie Christen oder Ungläubige sind» - anzunehmen, auch solche mit ansteckenden Krankheiten.
Die neue Gemeinschaft war zunächst ein reiner Laienorden. Erst das 3. Generalkapitel in Lima 1721 erlaubte die Priesterweihe von zwei Mitgliedern pro Gemeinschaft. Sie mussten mindestens schon zehn Jahre im Orden gelebt haben und blieben von allen verantwortlichen Positionen ausgeschlossen.
Der Orden breitete sich während des 18. Jahrhunderts in ganz Lateinamerika, aber auch auf den Kanarischen Inseln aus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zählten die «Bethlehemiten» rund 500 Ordensbrüder, 32 große Krankenhäuser in Lateinamerika, vor allem in Peru und Mexiko, zahlreiche Schulen. Aber wie so viele Einrichtungen der katholischen Kirche in Lateinamerika gerieten auch die Bethlehemiten in den Strudel der politischen Entwicklung. 1820 verordnete das soeben an die Macht gekommene «liberale» spanische Parlament (die Cortes von Cadiz) die Auflösung der Bethlehemiten - wie praktisch aller Ordensgemeinschaften im spanischen Weltreich von Madrid bis Mexiko und Manila. Dass 1813 im Maria-Himmelfahrts-Spital der Bethlehemiten in Ciudad de Guatemala ein «pronunciamiento» für die Unabhängigkeit des Landes stattgefunden hatte, mag die Entscheidung der Cortes beflügelt haben. Schon 1821 wurde Guatemala tatsächlich unabhängig, aber der Bethlehemitenorden war bereits zerschlagen.
Nur der weibliche Ordenszweig überlebte. Er hatte sich in der Glanzzeit der Bethlehemiten auf ein einziges kontemplatives Kloster in Guatemala beschränkt. Im 19. Jahrhundert wandelte Schwester Maria Encarnacion Rosal - sie wurde 1997 selig gesprochen - die kontemplative Gemeinschaft in eine Schulkongregation um. Die erste Schule wurde 1861 in Quezaltenango gegründet. Schon zehn Jahre später, als Präsident Justo Rufino Barrios die Macht ergriff, mussten die Schwestern das Land verlassen; Präsident Barrios, ein kämpferischer Jakobiner und Antiklerikaler, duldete keine Priester und Ordensleute in Guatemala; aus der Kathedrale der Hauptstadt machte er einen «Tempel der Vernunft».
Die Seligsprechung Pedro de San Jose de Betancurs 1980 löste dann die Restauration des männlichen Ordenszweigs aus. Der Ordinariatskanzler der kanarischen Heimatdiözese Pedros, Luis Alvarez Garcia, sammelte eine Gruppe junger Guatemalteken um sich, die das Ideal des großen «Freundes der Armen» wiederbeleben wollten. 1987 genehmigte der Vatikan die Wiedergründung des Ordens, der heute wieder zwei Gemeinschaften - in La Laguna auf den Kanarischen Inseln und in Guatemala - hat.
Kathpress
30. juli 2002