Die Rücktrittsspekulationen über Johannes Paul II. sind ad acta gelegt
«Kathpress»-Hintergrundbericht von Johannes Schidelko
Ciudad de Mexico, 1.8.02 (KAP) Wieder einmal hat Papst Johannes Paul II. alle überrascht. Mancher hatte die am Freitag zu Ende gehende Amerikareise zunächst für eine schlichte Überforderung gehalten und sogar abgeraten. Aber allen Befürchtungen zum Trotz hat der 82-jährige gebrechliche Papst die Mammut-Tour durch Kanada, Guatemala und Mexiko nicht nur überstanden, sondern wieder zu einem beeindruckenden Erfolg gemacht. Beim Weltjugendtag in Toronto feierten ihn die jungen Katholiken aus aller Welt wie einen Superstar und applaudierten seiner Botschaft. Im katholischen Lateinamerika hatte er ohnehin ein «Heimspiel» vor einem dankbaren Publikum, dem er zwei neue volksnahe und populäre Heilige brachte.
Johannes Paul II. will in der Schlussphase seines Pontifikats offenkundig noch etliche Projekte anstoßen; er will für die Kirche und ihre Zukunft Weichen stellen. Das erklärt die Ungeduld und das Drängen, mit dem er sich selbst und seine angeschlagene Gesundheit, aber auch seine Umgebung nicht schont. Die Reise zu den Jugendlichen nach Toronto und zur Heiligsprechung von Juan Diego, einer Zentralfigur lateinamerikanischer Volksfrömmigkeit, waren für ihn zwei Beiträge und Anstöße für die Zukunft der Kirche. Im säkularen Umfeld der modernen multikulturellen Metropole Toronto präsentierte er den zuletzt 800.000 Teilnehmern des Weltjugendtreffens seine Botschaft der Hoffnung - und setzte seine Hoffnung in die Jugend. Angesichts der Hoffnungslosigkeit nach dem 11. September rief er zur Versöhnung auf: zur Versöhnung mit Gott, mit den Mitmenschen, aber auch zwischen Nationen, Kulturen und Religionen und zum Aufbau einer neuen, auf ethischen Werten gegründeten Gesellschaft. Die von Johannes Paul II. in den achtziger Jahren gestartete Initiative der Weltjugendtage hat als weltweit größte Aktion der Jugendpastoral inzwischen einen festen Platz im Leben der Kirche.
Im Zeichen der Zukunft der Kirche standen auch die Etappen in Lateinamerika. Das Erbe des Laizismus und das Einströmen finanzstarker fundamentalistischer Sekten aus Nordamerika schmälern den Einfluss der Kirche auf dem «katholischen Kontinent». Die Heiligsprechung des in ganz Lateinamerika hoch verehrten Juan Diego, de Sehers von Guadalupe, war eine Aufwertung der Volksfrömmigkeit. Verbunden wurde dieser liturgische Akt mit einer Solidaritätserklärung für die benachteiligten Indios und mit dem Appell, ihnen endlich Gerechtigkeit zuzugestehen.
Nach der erfolgreichen Amerikareise lässt sich vermuten, dass Johannes Paul II. seine Reisetätigkeit fortsetzt. Für Mitte August steht bereits ein Besuch in Polen fest. Aber auch die Einladung zum Weltfamilientag nach Manila im Jänner 2003 oder eine weitere Visite in Kroatien im Frühjahr - das wäre dann Auslandsreise Nummer 100 - scheinen im Bereich des Möglichen. Zwar waren dem Papst vor allem im sauna-ähnlichen Klima von Guatemala die Strapazen anzusehen. Beim Verlesen der Rede stockte ihm an einer Stelle die Sprache; sie kehrte jedoch nach einem ermunternden Applaus der Gläubigen wieder zurück. Zuvor hatte aber sein erholtes, frisches Auftreten bei den Jugendlichen in Toronto deutlich gemacht, welche Bandbreite seine physische Befindlichkeit doch noch aufweist. Rücktritts-Spekulationen, die vor Toronto und Mexiko die Runde machten, dürften somit ad acta gelegt sein. Der Papst hat gezeigt, wer in der Kirche die Nummer eins ist.
Kathpress
1. august 2002