Papst Johannes Paul II. wird bei seiner Polen-Visite spirituelle und gesellschaftspolitische Akzente setzen
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Vatikanstadt, 13.8.02 (KAP) Mit Gebet, Ausruhen und Lektüre bereitet sich Papst Johannes Paul II. in Castel Gandolfo auf seine am Freitag beginnende Polenreise vor. Selten zuvor in seinem langen Pontifikat hat er zwei Reisen so kurz hintereinander angetreten: Die anstrengende Amerikareise, von der er am 2. August zurückgekehrt ist, zeigt noch ihre Nachwirkungen. Doch mit regelmäßigen Aufenthalten im Schwimmbad seiner Sommerresidenz und einem gegen Null gehenden Besuchsprogramm hat der 82-jährige wieder Kraft geschöpft.
Die vor ihm liegende Reise ist an sich wenig spektakulär, sie dauert nicht einmal vier Tage und spielt sich vollständig im Gebiet seiner früheren Erzdiözese Krakau ab. Hauptanlass ist die Weihe der neuen großen Pilgerbasilika in Lagiewniki bei Krakau am Samstag. Dort liegt die vom Papst hoch verehrte Mystikerin Faustyna Kowalska begraben; die von ihr initiierte Verehrung der "göttlichen Barmherzigkeit" hat Karol Wojtyla schon als Bischof gefördert und ihr als Papst zu weltweiter Verbreitung verholfen. Am Sonntag will der Papst dann eine Messe in seiner alten Bischofsstadt Krakau nachholen, die er beim letzten Besuch 1999 wegen eine Grippeerkrankung nicht halten konnte. Und am Montag ist eine Messe in Kalwaria Zebrzydowska unweit seiner Geburtsstadt Wadowice geplant. Daneben stehen private Besuche auf dem Programm: Am Grab seiner Eltern und in der Krakauer Wawel-Kathedrale, wo er 1946 als Neupriester seine erste Messe gefeiert hatte.
Trotz oder gerade wegen der fehlenden Höhepunkte im Besuchsprogramm sind rings um die 98. Auslandsreise des Papstes wilde Spekulationen ins Kraut geschossen. So tauchte schon bei der ersten Ankündigung der Reise im Februar das Gerücht auf, der Papst wolle von dieser vermutlich letzten Polenreise nicht mehr zurückkehren. Stattdessen werde er in der Heimat seinen Rücktritt erklären und sich in die Einsamkeit der Hohen Tatra zurückziehen. Später wurde gemutmaßt, der Papst wolle wenigstens im Anschluss an die Krakauer Tage noch einen kurzen Berg-Aufenthalt bei Zakopane einlegen, aber auch dies entpuppte sich als bloße Spekulation. Zuletzt machten deutsche Boulevardblätter mit der Vermutung Furore, dass die Papstreise nach Polen die letzte Auslandsreise sein werde, spätere Reisepläne für 2003 seien bereits abgesagt. Doch auch dafür fand sich im Vatikan keine Bestätigung.
Obwohl der Papst über die erneuten Rücktrittsgerüchte nicht erfreut sein dürfte, bringt die dadurch beflügelte Aufmerksamkeit der Medien für seinen Heimatbesuch auch positive Effekte. Denn was er seinen Landsleuten zu sagen hat, hat auch diesmal wieder eine über Polen hinausreichende Bedeutung. So ist zu erwarten, dass er vor allem in seiner Predigt in Krakau, zu der bis zu zwei Millionen Menschen erwartet werden, auch politische Akzente setzen wird. Anlass dafür gibt es genug, denn gerade in jüngster Zeit ist die Zahl der Kommunismus-Nostalgiker in Polen überraschend in die Höhe geschnellt. Ausgerechnet in der Schlussphase vor dem EU-Beitritt äußerten in einer Umfrage 39 Prozent der befragten Polen, sie würden lieber wieder im Spätkommunismus der siebziger und achtziger Jahre leben als unter der neuen Marktwirtschaft, die viele als unsozial empfinden.
Es wäre ein Wunder, wenn den Papst, der wie kein zweiter seinem Land den Weg in die Freiheit geebnet hat, diese Zahlen kalt ließen. Neben einem Bekenntnis zur Freiheit, zur Marktwirtschaft - allerdings unter Betonung des Beiworts "sozial" - und zu Europa dürfte die Rückbesinnung auf die religiösen Wurzeln des Landes den Schwerpunkt der päpstlichen Ansprachen in der Heimat bilden. Auf diesem Gebiet hat der Papst in jeder Hinsicht ein Heimspiel, denn noch immer sind mehr als 80 Prozent der Polen relativ regelmäßige Kirchgänger, und nur eine Minderheit von 14 Prozent bezeichnet sich als nicht praktizierend oder nicht gläubig.
In den Medien dürften neben den öffentlichen Ansprachen vor allem die privaten Termine des Papstes in seiner Heimatregion ein breites Echo finden. Beim Gebet am Grab seiner Eltern und seines Bruders, das manche als einen letzten Abschiedsgruß deuten, wird der Papst ebenso im Rampenlicht stehen wie bei seinen Besuchen in der Wawel-Kathedrale und in Kalwaria Zebrzydowska, wo er Jugenderinnerungen auffrischt. Dass der eigentliche Anlass seiner Reise die Weihe des Faustyna-Heiligtums in Lagiewniki ist, wird hingegen fast ausschließlich in Polen registriert. Der neue Wallfahrtsort ist dabei, sich zu einem religiösen Zentrum von großer Anziehungskraft zu entwickeln. Rund eine Million Pilger sind in den vergangenen zwölf Monaten dorthin gekommen; nach dem Papstbesuch dürfte diese Zahl nochmals deutlich anwachsen.
K200205742
12. august 2002