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Publisert 20. oktober 2002 | Oppdatert 20. oktober 2002

Münchner Politologe Hans Maier: Kirchlicher Antijudaismus ist schlimme Erbschaft, hat aber Existenz der Juden nie grundsätzlich in Frage gestellt

München, 17.10.02 (KAP) Nicht der kirchliche Antijudaismus, sondern der biologistisch begründete rassistische Antisemitismus war die gedankliche Basis für das Vernichtungsprogramm der Shoah. Das erklärte der emeritierte Münchner Politikwissenschaftler Hans Maier bei einer Diskussion am Mittwochabend im Münchner Literaturhaus mit dem amerikanischen Autor Daniel Goldhagen über dessen umstrittenes Buch «Die katholische Kirche und der Holocaust».

Maier stimmte Goldhagen zu, «dass der Antijudaismus eine schlimme, durch Jahrhunderte fortgeschleppte Erbschaft aus der Zeit der Loslösung der Kirche von der Synagoge war». Dessen theologische Begründungen seien «von Anfang an fragwürdig» gewesen. Die Kirche habe sich «viel zu spät» dieser Tradition entledigt. Auch räumte er ein, dass antijüdische Stereotypen wie die theologisch absurde Rede vom «Gottesmord» dem modernen Antisemitismus in die Hände gespielt hätten.

Dass christliche Judenfeindschaft langfristig der entscheidende Grund für den Holocaust gewesen sei, wie es Goldhagen annehme, sei jedoch eine «Verzerrung der geschichtlichen Abläufe», kritisierte Maier. Die Christen hätten bei allen Verbrechen gegenüber Juden nie deren Existenz grundsätzlich in Frage gestellt. Den Satz «Das Heil kommt von den Juden» habe die Kirche in ihrer Lehre «bei all ihren Irrtümern» nie verleugnet. Erst der biologistisch begründete rassistische Antisemitismus habe eine Basis für das Vernichtungsprogramm der Shoah geboten.

Maier bezweifelte Goldhagens These, dass die Katholiken die Shoah hätten verhindern können. Die Kirche sei nicht der Helfer der Nazi-Mörder gewesen, sondern eher deren «unzulänglicher und allzu schwacher Gegenspieler». Der US-Politologe setzte dagegen: «Die Kirche wollte keine Juden töten, aber sie förderte das Treiben der Nazis durch ihre Predigt. Warum hat der Papst nicht zu Beginn des Massenmordes widersprochen und gesagt, es ist eine Sünde, daran teilzunehmen?» Maier antwortete, Goldhagens Bild von der Kirche als einer Organisation, die bedingungslos den Weisungen von Papst und Bischöfen gehorche, sei «spätestens im 20. Jahrhundert nicht mehr gültig».

Juden und Christen sollten ihre Geschichte gemeinsam «mit Zorn und Eifer», aber auch «mit dem Willen zum abwägenden Urteil» aufarbeiten, appellierte Maier. Daran fehle es jedoch in Goldhagens Buch fast ganz. Der Harvard-Professor sagte, es sei typisch für Deutschland, dass er wegen Einzelheiten in seinem Buch kritisiert werde; seine Generalthese werde dadurch aber nicht erschüttert.

Maier, ehemaliger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, rief dazu auf, endgültig mit antijüdischen Klischees aller Art zu brechen. Allen Gläubigen müsse bewusst gemacht werden, dass Judentum und Christentum unlösbar zusammengehören.

Kathpress
17. oktober 2002

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