Bischof Komarica in Radio Vatikan-Interview: «Schon die im Zuge der Vorbereitung der Papstvisite entstandene Annäherung schafft hier eine angenehme Atmosphäre»
Vatikanstadt-Sarajevo, 17.6.03 (KAP) Der katholische Bischof von Banja Luka, Franjo Komarica, hat in einem Radio-Vatikan-Interview große Hoffnungen auf den Besuch von Papst Johannes Paul II. in der Republika Srpska (RS) am 22. Juni gesetzt. Nach dem 22. Juni werde nicht mehr alles so sein «wie vor dem Papstbesuch», manches werde sich «ins Positive verändern».
Der Bischof wies darauf hin, dass die mit dem Papstbesuch verbundenen Hoffnungen weit über den Bereich der katholischen Minderheit hinausgehen: «Nicht nur die Katholiken, sondern auch sehr viele Nichtkatholiken erwarten mit großer Freude das Kommen des Papstes. Alle erhoffen sich von diesem Kommen etwas Besonderes, etwas Gutes und Positives, etwas Konstruktives, einen qualitativen Schritt nach vorne. Diese Vorbereitungsarbeiten, die Annäherung der Politiker der verschiedenen Parteien, der verschiedenen Volksgruppen, die Annäherung auch der Menschen untereinander, schafft so eine angenehme Atmosphäre hier, dass das allein bereits ein großer Gewinn ist».
In der «Nacharbeit» müssten insbesondere entschiedenere Schritte in Richtung Rechtsstaat unternommen werden, so der Bischof: «Leider Gottes haben wir hier in Bosnien-Hercegovina noch immer keinen Rechtsstaat. Es fehlt eine klare Ausrichtung des Landes von der Seite der politischen Führung. Die internationalen Vertreter, die hier eigentlich die Hauptrolle spielen, unternehmen zwar etwas. Aber das geht nur sehr langsam und sehr undeutlich vor sich».
Noch immer könnten die vielen Vertriebenen und Flüchtlinge nicht zurückkehren, obwohl jetzt schon das achte Jahr seit der Dayton-Konferenz vergangen sei: «Nach Dayton und nach so vielen Konferenzen, die gezielt wegen des Annex 7 - also dem Recht auf Rückkehr der Vertriebenen und Flüchtlinge - abgehalten wurden, sind trotzdem so wenige zurückgekehrt».
Ganz besonders treffe das im Blick auf die Katholiken der Region zu. Kaum drei Prozent der vertriebenen Katholiken seien bis heute in das Gebiet der Republika Srpska zurückgekehrt. «Die Situation von uns Katholiken in diesem Teil Bosniens ist prekär bzw. fast hoffnungslos», so Komarica: «Hier sind keine Katholiken mehr. Von 220.000 vertriebenen Katholiken sind kaum mehr als 10.000 zurückgekehrt».
Dabei lebten die Volksgruppen in Bosnien «nicht erst seit gestern» zusammen: «Immer wieder hatten sie einen Modus Vivendi gefunden, wenn man sie in Ruhe das eigene Haus ausbauen ließ. Aber man hat sie von außen immer wieder nach dem alten Prinzip 'teile und herrsche' behandelt».
«Der Erste Weltkrieg wurde weitergeführt»
Die Verantwortung dafür tragen nach Meinung Komaricas in sehr starkem Maß die untereinander um Macht- und Einfluss auf dem Balkan in Rivalität stehenden europäischen Mächte. Im Grunde sei in den neunziger Jahren in Bosnien der Erste Weltkrieg weitergeführt worden: «Was die Deutschen wollten, wollten die Franzosen nicht - oder die Engländer. Die Franzosen sagten mir selbst: 'Unser Kind ist getötet. Jugoslawien war unser Siegeszeichen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs'».
Europa sei weiterhin nicht in der Lage, Ordnung im eigenen Haus herzustellen, kritisierte der Bischof: «Was hat Europa dann den anderen Kontinenten anzubieten? Deshalb bin ich auch den Europäern gegenüber verpflichtet, möglichst klare Fragen zu stellen und ihnen nach meinen Möglichkeiten dazu zu verhelfen, dass sie sich einer wahren, klaren, sachkundigen Diagnose unserer Tragödie stellen und so eine entsprechende Therapie anwenden können». Keinesfalls dulden wolle er - so Komarica -, dass der Status quo nach den Vertreibungen «zementiert» werde. Dazu sage er «nein, nein, nein und wieder nein».
Als «einzige lichte und konsequente Figur» in dieser Tragödie «wie auch sonst in allen Tragödien der Welt» bezeichnete der Bischof von Banja Luka Papst Johannes Paul II.: «Er hat immer wieder die fundamentalen Menschenrechte betont - Sicherheit des Lebens, das Recht auf Heimat, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Der Heilige Vater hat unzählige Male während der Tragödie in Bosnien-Hercegovina seine Stimme erhoben. Fast 300 Mal hat er persönlich interveniert, bei den verschiedensten Anlässen, und gerufen 'Stoppt den Krieg, rettet den Menschen!'»
Komarica zeigte sich überzeugt, dass der Papst auch bei seinem Besuch in Banja Luka wieder «Verbrechen, Ungerechtigkeit, Frevel» als solche «entlarven» werde. Wörtlich meinte der Bischof: «Er hat mir in einem Gespräch direkt gesagt: 'Ich kann doch nicht zulassen, dass vor der Nase Roms drei Diözesen praktisch ausradiert werden'. Da hat er die Gefahr in Bosnien durchaus richtig erkannt».
Johannes Paul II. sehe in dieser Situation eine große Verantwortung der bosnischen Bischöfe. Deshalb habe der Papst gesagt: «Ihr Bischöfe müsst alles tun, damit Priester zurückkehren, damit Ordensleute zurückkehren, damit die Gläubigen zurückkehren. Die Weltkirche muss euch dabei helfen, materiell wie auch mit anderen solidarischen Mitteln».
Kathpress
17. juni 2003