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Publisert 8. september 2003 | Oppdatert 8. september 2003

Vorzeitig geöffnete Archivbestände haben keine Sensationen ergeben, aber die Thesen der «großen Vereinfacher» können jetzt «noch überzeugender» zurückgewiesen werden

Bonn, 5.8.03 (KAP) Sechs Monate nach der Öffnung vatikanischer Archive zur Epoche des Nationalsozialismus in Deutschland sieht der Historiker Thomas Brechenmacher neue Beweise für eine «eisige Distanz» des Vatikans gegenüber dem NS-Regime. Die nach internationalem Druck vorzeitig geöffneten Archivbestände hätten nach bisherigen Erkenntnissen keine Sensationen ergeben, betonte Brechenmacher in einem Beitrag für die deutsche katholische Nachrichtenagentur KNA. Andererseits könnten «die Thesen der großen Vereinfacher» wie der Kirchenkritiker Hochhuth, Cornwell oder Goldhagen vom schuldhaften Schweigen Roms gegenüber der Judenverfolgung oder gar vom Teufelspakt mit Hitler «nun noch überzeugender als bisher zurückgewiesen werden».

Der Vatikan hatte am 15. Februar vorzeitig die Deutschland-Akten aus der Amtszeit von Papst Pius XI. (1922-1939) für Wissenschaftler zugänglich gemacht. Papst Johannes Paul II. ordnete die Teilöffnung an, um dem Verdacht entgegenzutreten, die Kirche halte wichtige Informationen aus der Zeit des Nationalsozialismus unter Verschluss. Es handelt sich vor allem um Dokumente des Staatssekretariats und der Vatikan-Vertretungen in München und Berlin. In der Regel gibt der Vatikan seine jeweiligen Archivbestände frühestens 70 Jahre nach dem Tod eines Papstes frei. Brechenmacher arbeitet derzeit im Auftrag der Bonner katholischen «Kommission für Zeitgeschichte» an einem Forschungsprojekt in Rom unter dem Titel «Eugenio Pacelli in Deutschland (1918-1930)».

«Von Schweigen kann keine Rede sein»

Nach Einschätzung des Historikers ergeben die Akten einen spürbaren Gewinn an Einsichten in nahezu alle Teilbereiche der vatikanisch-deutschen Beziehungen in den zwanziger und dreißiger Jahren. So könne beim Vorgehen von Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., von «passivem Zusehen oder gar Schweigen keine Rede» sein. So habe Pacelli am 4. April 1933 den Berliner Nuntius Cesare Orsenigo angewiesen, Möglichkeiten zu erkunden, gegen die «antisemitischen Exzesse» in Deutschland zu intervenieren. Außer Frage stehe, dass weder Papst Pius XI. noch der spätere Papst Pius XII. jemals mit dem Nationalsozialismus sympathisiert hätten.

Bereits am 14. November 1923 habe Pacelli, damals noch Nuntius in München, in einer unmittelbaren Reaktion auf den Hitler-Ludendorff-Putsch den grundsätzlich «antikatholischen Charakter» des Nationalsozialismus hervorgehoben und ein halbes Jahr später klar herausgestellt, dass diese Bewegung Katholiken und Juden gemeinsam als ihre schlimmsten Feinde betrachte. Zudem deuteten alle Anzeichen darauf hin, dass Pius XI. bereits 1928 höchstpersönlich gegen Strömungen unter den Kardinälen die ausdrückliche Absage an den Antisemitismus durchgesetzt habe.

Judenverfolgung keine Priorität

Andererseits lehren die Dokumente nach Einschätzung des Historikers auch, dass die Politik des Heiligen Stuhls gegenüber dem Nationalsozialismus in dieser Phase von der Verfolgung der Juden «weder primär bestimmt war noch bestimmt sein konnte». Im Vordergrund habe für Rom der Versuch gestanden, gegen den Allmachtsanspruch eines atheistischen Systems das kirchliche Leben in Deutschland überhaupt aufrecht zu erhalten. Brechenmacher wörtlich: «Ob die Angst vor einem neuen Kulturkampf oder gar dem definitiven Ende der katholischen Kirche in Deutschland die Politiker der Kurie nicht vielleicht zu einer zu defensiven Haltung verleitet hat, wird innerhalb der Wissenschaft noch diskutiert werden müssen».

Kathpress
5. august 2003

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