Papst Johannes Paul II. erinnert bei seiner Reise in die Slowakei noch einmal an die Schrecken der kommunistischen Herrschaft
«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel
Preßburg, 10.9.03 (KAP) Die Akten des Prozesses lesen sich wie eine Anleitung aus dem Handbuch eines sadistischen Henkers: Die 35-jährige Frau wurde immer wieder nackt gefesselt und an einem Strick aufgehängt, dann wurde sie systematisch so lange geschlagen, bis sie fast das Bewusstsein verlor. Die Gepeinigte war die katholische Ordensfrau Zdenka Schelingova. Ihre Peiniger von der tschechoslowakischen Geheimpolizei erhofften sich durch die «Verhöre» zusätzliche Informationen über die katholische Kirche im Untergrund, die dem stalinistischen Terror Widerstand leistete. Sie selbst hatte das Verbrechen des «Hochverrats» begangen, indem sie einem gefolterten Priester aus einem Krankenhaus zur Flucht verholfen hatte.
Schwester Zdenka starb am 31. Juli 1955 an den Folgen der Folter und der Haft, sie wurde schon bald darauf als Märtyrerin verehrt. Von den Folterknechten von einst sind einige noch heute am Leben. Der Richter, der sie 1952 verurteilte, bereute seine Tat wenig später und wurde daraufhin seinerseits von den Kommunisten verfolgt. Am kommenden Sonntag will Papst Johannes Paul II. die Ordensfrau bei einem Gottesdienst in der slowakischen Hauptstadt Preßburg (Bratislava) selig sprechen.
Gemeinsam mit der Ordensfrau erhebt der Papst den Weihbischof Vasyl Hopko (1904-1976) zur Ehre der Altäre. Seine Akte enthält zusätzliche Spielarten stalinistischer Grausamkeit. Sie dokumentiert einen jahrzehntelangen Kreuzweg mit Kerker, Folter, Isolationshaft, Hunger, Schlafverbot, Psychoterror und sogar schleichender Vergiftung durch dosierte Arsenbeimischungen im Essen. Am Ende war der Bischof ein körperliches und seelisches Wrack und litt an schwersten Depressionen.
Die Schrecken der kommunistischen Diktatur werden den Besuchern des Papstgottesdienstes im Preßburger Stadtteil Petrzalka bei der Seligsprechungszeremonie noch einmal in Erinnerung gerufen. Viele von den Jüngeren kennen die unglaublichen Ereignisse aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur noch vom Hörensagen. Nicht zuletzt deshalb ist es dem Papst wichtig, sie ihnen gerade jetzt noch einmal mit Nachdruck in Erinnerung zu rufen. Die Seligsprechung der Märtyrer ist der eigentliche Grund, warum der Papst vom 11. bis 14. September zum dritten Mal in die Slowakei reist.
Doch nicht nur der Blick in die Vergangenheit ist Thema des erneuten Papstbesuches in der seit 1993 unabhängigen Slowakischen Republik, es geht auch um die Zukunft. In wenigen Monaten wird das Land zusammen mit sieben anderen ex-kommunistischen Staaten Mitglied der EU. Auf diesen historischen Moment des Zusammenwachsens von Ost und West, den der Papst selbst durch seine politischen Predigten in Polen vor fast 25 Jahren vorbereitet hat, wird er sicher auch bei seiner Reise in die Slowakei eingehen.
Der Papst besucht das Land in einer Umbruchphase. Die postkommunistische Krise mit hoher Arbeitslosigkeit und allgemeiner Orientierungslosigkeit wirkt immer noch nach. Unter den EU-Beitrittsländern liegt die Slowakei mit ihrer Wirtschaftskraft auf einem der letzten Ränge, deutlich hinter Ungarn, Polen und der Tschechischen Republik. Gerade auf dem Lande ist die Unsicherheit groß, was der Beitritt zur EU letztlich bewirken wird.
Bei seinen Ausflügen in die Provinz, die ihn von der Hauptstadt aus unter anderem nach Trnava, nach Banska Bystrica und nach Roznava bringen werden, hat der Papst Gelegenheit, den Slowaken Mut zu machen. Von seiner Mentalität her fühlt er sich ihnen nahe, kennt er sie doch aus seiner südpolnischen Heimat als unmittelbare Nachbarn. Auch sein wichtigstes Thema dieses Sommers, die Betonung des christlichen Erbes im geeinten Europa, wird bei der 102. Auslandsreise des Papstes zweifellos zur Sprache kommen.
Kathpress
10. september 2003