Vatikansprecher Navarro-Valls betont, dass Johannes Paul II. trotz aller Grenzerfahrungen nicht den «Geschmack am Leben» verloren hat
Preßburg, 14.9.03 (KAP) Der Papst ist sich seiner gesundheitlichen Situation bewusst, aber was die Menschen anspricht, ist die «Natürlichkeit, mit der Johannes Paul II. seine Schwäche nicht verbirgt, sondern sie in seinen Dienst integriert». Dies betonte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls am Sonntag in Petrzalka in einem RAI-Interview. Der Papst mache in der Art, wie er seine gesundheitliche Schwäche lebt, eine «christliche Dimension des Umgangs mit Leid» sichtbar. «Der Papst sagt etwas, ohne zu reden», meinte Navarro-Valls. Persönlich habe ihn seit jeher diese «Innerlichkeit» Johannes Pauls II. bewegt, betonte der Vatikansprecher. Sie sei der spirituelle Schlüssel dieses Pontifikats von Anfang an, aber auch die Erklärung für die jetzige Phase.
Johannes Paul II. habe auch seinen Humor nicht verloren, unterstrich Navarro-Valls. Trotz aller Grenzerfahrungen habe der Papst nach eigener Aussage nicht den «Geschmack am Leben» verloren, was für ihn auch Wahrnehmen der Verantwortung seines Amtes bedeute.
Auf die Frage, ob die Slowakei-Reise die letzte Auslandsreise des Papstes sein werde, meinte Navarro-Valls, das sei eine Frage, die man eigentlich den Bischöfen stellen müsse, die ihn einladen. Einladungen liegen derzeit aus Frankreich, Österreich, der Schweiz, Polen und Mexiko vor. In jedem Fall sei es der Papst selbst, der entscheiden werde.
«Bis zum Ende»
Die Sorgen um die Gesundheit des Papstes in die Slowakei haben in der Öffentlichkeit Fragen über die Fortsetzung der Papstreisen aufgeworfen. Schon bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Preßburg am Donnerstag wurde auf erschreckende Weise deutlich, dass der 83-jährige wegen seiner fortgeschrittenen Parkinson-Erkrankung nicht mehr in der Lage war, einen slowakischen Text von knapp einer Seite Länge zu verlesen - und das trotz der engen Verwandtschaft zwischen seiner polnischen Muttersprache und der Sprache des Gastlandes. Probleme mit der Artikulation, vor allem aber mit der Atmung machten ihm schwer zu schaffen. Und während der gesamten Reise verlas der slowakische Kurienkardinal Jozef Tomko die meisten Abschnitte der Papst-Predigten.
Am Abend des ersten Tages hatte der Papst körperlich fast völlig abgebaut. Zur allgemeinen Überraschung sprach er dann aber am zweiten Tag in der Stadt Banska Bystrica wieder mit relativ kräftiger Stimme. Am dritten Tag sorgte die Tatsache, dass er sich beim Lesen zeitweise hilflos in den Zeilen seines Textes verlor (was aber möglicherweise an Windböen lag), kurzfristig für Aufregung. Am vierten und letzten Tag jedoch wirkte Johannes Paul II. beim wichtigsten Gottesdienst der Reise vor mehreren hunderttausend Menschen in Petrzalka wieder deutlich erholt. Doch seine eindrucksvollen Auftritte während der Irak-Krise im Frühjahr dieses Jahres schienen weit entfernt. Die krisenhafte Zuspitzung während der Reise wurde durch die Tatsache unterstrichen, dass der Papst nicht mehr in der Lage ist, ohne massive Unterstützung aufzustehen, und dass eine umfangreiche medizinische Notfallausrüstung mit Defibrillator, Beatmungsgerät und Blutkonserven ständig in seiner unmittelbaren Nähe bereit gehalten wurde.
Der Vatikan bemühte sich trotz des Ernstes der Lage, keine Panikstimmung aufkommen zu lassen. Die letztlich erfolgreiche Bilanz der Slowakei-Reise, bei der der Papst trotz seiner Behinderungen wieder Hunderttausende in seinen Bann zog, lässt die Folgerung zu, dass Johannes Paul II., wenn überhaupt, dann nur aus ganz zwingenden Gründen auf die Pastoralreisen verzichten würde. Die Geh- und Sprechbehinderung allein reicht als Begründung aus der Sicht des Vatikan (und der des Papstes) jedenfalls nicht aus.
Im Oktober stehen eine Pilgerreise zum Marienheiligtum Pompei und die großen Feiern zum 25. Pontifikatsjubiläum samt der Seligsprechung von Mutter Teresa auf dem Programm. Nach diesen anstrengenden Feierlichkeiten wird sich zeigen, ob die dramatischen Schwächephasen bei der Slowakei-Reise nur ein vorübergehendes Phänomen darstellten.
Sollte sich die körperliche Schwäche weiter dramatisch zuspitzen, stünde dem Vatikan sicher wieder eine Mediendiskussion über die Fortsetzung der Papstreisen und über den weiteren Verlauf des Pontifikats ins Haus. Eine ähnliche Debatte hatte es im vergangenen Jahrzehnt wiederholt gegeben. Johannes Paul II. selbst hat persönlich immer wieder alle Rücktrittsspekulationen zurückgewiesen, indem er bei mehreren Gelegenheiten zum Ausdruck brachte, dass er mit Gottes Hilfe sein Amt bis zum Ende ausüben wolle.
Kathpress
14. september 2003