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Publisert 29. mars 2004 | Oppdatert 30. mars 2004

Doyen der deutschsprachigen Judaistik verweist auf die oft ungewollten Konsequenzen, wenn die Formulierungen etwa des Evangelisten Matthäus nicht im Kontext gesehen werden

Wien, 9.3.04 (KAP) Prof. Kurt Schubert, Doyen der deutschsprachigen Judaistik und Ehrenpräsident des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, hat zum vieldiskutierten Jesus-Film von Mel Gibson «The Passion of the Christ» Stellung genommen. Prof. Schubert betonte ausdrücklich, dass er den Film nicht sehen wolle, weil er für ihn nicht ein «Glaubenszeugnis», sondern eher einen «Missbrauch des Leidens des Gottesknechtes» darstelle. Er habe sich aber genau über den Film informiert.

«Kathpress» dokumentiert den Wortlaut der Stellungnahme von Prof. Schubert: Schon vor rund 30 Jahren hat mich der damalige Eisenstädter Diözesanbischof Stefan Laszlo ersucht, die Passionsspiele von St. Margarethen so zu bearbeiten, dass dadurch beim Publikum keine antisemitischen Reaktionen entstehen. Sein Nachfolger, Diözesanbischof Paul Iby, wünschte dann noch einen klärenden Beitrag für das Programmheft des Jahres 1996. Natürlich ist die vordergründige Absicht aller Passionsspiele die Darstellung des Leidens Christi und seines Weges bis hin zum Kreuz. Da aber die Auseinandersetzung mit der jüdischen Obrigkeit des Zeitalters Jesu nicht ausgeklammert werden kann, ergibt sich zwangsweise auch eine antijüdische Komponente, wenn man bei Darstellung und Regie zu stark aufträgt.

Wenn sich auch die Passion Jesu nach dem Matthäus-Evangelium besonders für theatralische Effekte eignet, so enthält jedoch gerade diese Version stärkste Formulierungen, die auch - vom Darsteller ungewollt - zu antijüdischen Schlussfolgerungen führen können. In dieser Hinsicht bietet der Film von Mel Gibson mit absoluter Sicherheit ein negatives Bild vom Judentum, indem er den Glauben des Judentums nur als Glaubensverweigerung an den Messias Jesu von Nazareth darstellt, also ein entschieden falsches Bild vom Glauben Israels bietet.

Aus den mir zugegangenen Informationen geht hervor, dass Gibson sich dieser Problematik auch bewusst war und deshalb auch die Szene der Selbstverfluchung des Volkes (Matthäus 27,25) nicht mit aufgenommen hat. Aber die Szene vorher - Pilatus wäscht sich die Hände in Unschuld (Matthäus 27, 24) - findet sich in der Endfassung, wie die Schreie des Volkes, das Jesu Kreuzigung verlangt. In diesem Sinne wäre sicher eine Fassung nach Lukas 23,21 f vorzuziehen, wonach Pilatus sagte: «Was hat dieser denn Böses getan? Ich finde keine Todesschuld an ihm». Die Lukas-Fassung dürfte auch den historischen Tatbestand viel besser treffen als die Fassung nach Matthäus, denn das Händewaschen in Unschuld war eine jüdische und keine römische Geste.

Man denke u.a. nur an Psalm 26,6 oder 73,13. Und damit kommen wir bereits exegetisch auf den Punkt. Der Evangelist Matthäus war selbst Judenchrist und schrieb für Juden, die er von seinem Glauben überzeugen wollte. Daher forumulierte er gemäß deren Verständnis und in deren Symbolsprache. Dazu gehört auch das zusätzliche Händewaschen in Unschuld zur geschichtlichen Feststellung, dass Pilatus Jesus für unschuldig hielt. Für Matthäus musste auch Pilatus die Schuld von sich waschen, damit sie darauf folgend das Volk auf sich nehmen konnte. Wenn sich daher das Händewaschen in Unschuld auch theatralisch sehr wirksam darstellen lässt, so hat es aber dennoch keinen historischen Stellenwert.

Zum Beweis dafür nur noch ein Beispiel. In der eschatologischen Rede Jesu vom Höhepunkt der Not heißt es in der Vorlage bei Markus 13,18: «Betet darum, dass dies alles nicht im Winter eintritt», Matthäus ergänzt in (24,20): «Betet darum, dass ihr nicht im Winter oder an einem Sabbat fliehen müsst». Am Sabbat darf man zwar zur Lebensrettung fliehen, aber nach jüdischem Recht, nach dem das Tragen einer Last am Sabbat verboten ist, kein Fluchtgepäck mitnehmen. Man muss Matthäus also von seinem jüdischen Hintergrund her verstehen, um zu wissen, auf welche Weise er die Geschichte und Lehre Jesu für sein Publikum verstehbar gestaltet hat. Matthäus verstand sich selbst in der Nachfolge der alttestamentlichen Propheten, die ebenfalls in der Wortwahl ihrem Volk gegenüber nicht gerade zimperlich waren. Wenn man aber die innerjüdische Polemik des Matthäus außerhalb der «Jüdischen Gasse» theatralisch drastisch zur Darstellung bringt, wird sie zwangsläufig zur Polemik der Anderen gegen das Judentum, mit dem Matthäus viel zu sehr verbunden war, als dass er derartiges gewollt hätte.

Aber auch einen eigenen, spezifisch christlichen Einwand habe ich gegen diesen Film. Die brutale Darstellung des Leidens Jesu grenzt für mich an verbotenen Voyeurismus. Aus dem Leiden Christi einen Horrorfilm zu machen, ist für mich kein Zeichen für lebendigen Glauben, sondern eher ein Mangel an Ehrfurcht. Wer sich in die Leiden Christi vertieft, dem genügt der gotische Schmerzensmann. Wer sich bis zur Selbstidentifikation in die Leiden Christi versenkt, dem bezeugen es - wie zum Beispiel bei Pater Pio von San Giovanni Rotondo in Apulien - die Stigmata.

KA: «Mit den Augen der Shoah-Nachfahren sehen»

Das Präsidium der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) hat am Freitag «mit großer Sorge» festgestellt, dass Mel Gibsons Film «durch die exzessive Art seiner Gewaltdarstellung und das Weglassen größter Teile des Lebens Jesu zentrale Elemente der christlichen Heilsbotschaft ignoriert». Durch die Verwendung einer Bildsprache, die in der Geschichte des Christentums oft antijudaistisch geprägt war, könne der Film «auch heute antisemitische Vorurteile beleben». Mit seiner polarisierenden Grundtendenz sei Gibsons Werk geeignet, generell zu einem Rückschlag im interreligiösen Verhältnis zu führen.

Nach dem Wendepunkt des Zweiten Vatikanischen Konzils, das dem mörderischen Vorurteil von den «jüdischen Gottesmördern» ein für allemal eine Absage erteilt habe, darf das «geheimnisvolle Aufeinander-Angewiesen-Sein» von Christen und Juden im Heilsplan Gottes («Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich», Römer-Brief 11,18) niemals mehr aus dem Blick geraten, stellte die Katholische Aktion fest. Gottes Bund mit den Juden sei nicht aufgelöst, der neue Bund der Heidenchristen mit Gott werde nur über Jesus eröffnet. Mel Gibsons Film sage dazu gar nichts und sei damit «theologisch auf gefährliche Weise irreführend». Außerdem würden die Gewaltaspekte im Film derartig obszön-übermächtig betont, dass dabei die zentrale Aussage der christlichen Auferstehungsbotschaft praktisch völlig unter die Räder kommt. Durch die Wiederverwendung von Bild-Stereotypen nehme der Film keine Rücksicht auf das historische Faktum der antijudaistischen Aufladung solcher Bilder in den vergangenen Jahrhunderten. In jüdischen Augen seien aber solche Bilder heute nicht einfach von den mörderischen Folgen des einstigen Antisemitismus zu trennen.

Wörtlich heißt es in der Erklärung der Katholischen Aktion: «Christlich-jüdische Verständigung ist nur möglich, wenn Christen sich bemühen, solche Bilder auch mit den Augen der Nachfahren der Shoah-Opfer zu sehen. Es ist für heutige Christen unmöglich, gleichsam mit dem Rücken zu Auschwitz zu stehen, als seien nicht auch Christen an diesem Massenmord mitschuldig geworden. Weil die vergleichsweise wenigen Momente der Differenzierung in Mel Gibsons Film sehr schwach ausfallen, können sie nicht den Gesamteindruck einer rettungslos in Gut und Böse geteilten Welt verhindern». Angesichts einer weltpolitischen Situation, die sich heute religiös-ideologisch aufzuladen scheint, sei der Film geeignet, diese un-heilvolle Polarisierung noch voranzutreiben statt abzubauen.

Kathpress
9. mars 2004

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