KATHPRESS/Indonesien/Osttimor/
Osttimor: Auch Priester, Ordensleute und Caritas-Leute ermordet
Auch aus der UNO kein Hoffnungs-Signal für die unter brutalstem Terror leidende Bevölkerung der Insel
Dili-Rom-Canberra-Lissabon, 9.9.99 (KAP) Bei den brutalen Übergriffen der Milizen in Osttimor auf die Bevölkerung sind bisher zumindest sechs Ordensschwestern und drei Priester ermordet worden. Wie die römische Nachrichtenagentur der Missionsorden, "Misna", am Donnerstag berichtete, sei einer der Priester, der 34-jährige Jesuitenpater Tarcisius Dewanto, in Suai getötet worden, als Milizen seine Kirche in Brand setzten, in der mehr als 100 Flüchtlinge Schutz gesucht hatten. Bei dem Brand und dem folgenden Massaker seien zahlreiche Menschen ums Leben gekommen, darunter zwei weitere Ordenspriester.
Die Ordensfrauen wurden in Baucau, rund 120 Kilometer östlich der Hauptstadt Dili, mit Buschmessern getötet. Der Bischof von Baucau, Basilio Do Nascimento, war am Mittwoch beim Sturm auf seine Residenz verletzt worden und mit weiteren Geistlichen und Zivilisten in die Berge geflohen.
Auch der größte Teil der Caritas-Mitarbeiter in Osttimor ist ermordet worden, teilte die Deutsche Caritaszentrale am Donnerstag in Freiburg mit. Bereits vorher hatte die Caritas-Führung in Australien bekannt gegeben, dass ihren Informationen zufolge nicht nur der osttimoresische Caritas-Direktor Francisco Barreto, sondern auch mehrere seiner Mitarbeiter getötet worden seien.
Der australische Caritas-Bischof und Weihbischof von Melbourne, Hilton Deakin, erklärte am Donnerstag in Sydney, alles deute darauf hin, dass Barreto sowie mehrere osttimoresische Mitarbeiter der Caritas ermordet worden seien. "Diese mörderischen Angriffe auf die Kirche sind Teil eines viel weitergehenden Völkermords. Wir müssen erkennen, dass es in Osttimor keinen Respekt vor dem Leben gibt", so Deakin.
"Misna" hatte am Mittwoch wieder Verbindung zu einer Ordensschwester in der Hauptstadt Dili. "Wenn die UNO-Vertreter abreisen, werden sie uns alle töten. Die Welt diskutiert, und wir sterben. Das ist die Hölle hier", zitierte "Misna" die Ordensfrau Esmeralda de Araujo.
Friedenstruppe nicht in Sicht
Der Ruf nach einer Friedenstruppe zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung kommt wegen der Eskalation des Terrors aus der Politiker, von den Kirchen und Menschenrechtsorganisationen. Vatikan, Bischofskonferenzen zahlreicher Länder und Hilfswerke fordern eine unverzügliche Intervention durch eine UNO-Truppe. Die USA, Großbritannien und Australien machen aber die Entsendung einer Friedenstruppe von der Zustimmung Indonesiens abhängig, womit eine Entsendung derzeit nicht in Sicht ist.
Aus Österreich kam am Donnerstag von der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" die Forderung an die Bundesregierung, "selektive Embargomaßnahmen" gegen Indonesien zu verhängen, wenn die Regierung in Jakarta weiterhin nicht einlenkt und die Stationierung von UN-Blauhelmen ablehnt.
Indonesien beharrt jedoch darauf, dass es selbst Herr der Lage sei. Eine Delegation des UN-Sicherheitsrates traf am Donnerstag in Jakarta mit Staatspräsident Bacharuddin Jussuf Habibie zusammen. An dem Gespräch nahm auch Verteidigungsminister und Generalstabschef Wiranto teil. Erklärtes Ziel der fünfköpfigen Delegation war, von Indonesien die Zustimmung zu einer internationalen Friedenstruppe für die frühere portugiesische Provinz zu erhalten.
Bischof Belo in Lissabon und Rom
Friedensnobelpreisträger Bischof Carlos Belo flog am Donnerstag von Australien nach Portugal, wo er mit staatlichen Stellen der ehemaligen Kolonialmacht beraten will. Belo, der vor zwei Tagen an Bord einer australischen Militärmaschine Osttimor verlassen hatte, wird anschließend nach Rom weiterreisen, um Papst Johannes Paul II. über die Situation in seinem Heimatland zu unterrichten. Am Montag war Belos Residenz erstürmt worden, wobei zumindest 25 Flüchtlinge ermordet wurden; am Mittwoch wurde auch das Haus des Bischofs von Baucau, Basilio Do Nascimento, angegriffen. Der Bischof und Caritas-Mitarbeiter sollen in die Berge geflohen sein.
Insgesamt sind etwa 150.000 Timoresen vor den Attacken der Milizen in die Berge geflohen. Den Flüchtlingen geht bereits Wasser und Nahrung aus, viele brauchten ärztliche Versorgung.
Kirchenglocken läuteten in Portugal
In Portugal beteiligten sich am Mittwoch Millionen Menschen an einem Massenprotest gegen die Welle der Gewalt in Osttimor. Drei Minuten lang stand am Nachmittag fast das gesamte Leben im Land still: Die Autos hielten mitten auf der Straße, Supermärkte und andere Geschäfte stellten die Arbeit ein, und auch Busse, Züge sowie die U-Bahnen waren außer Betrieb. Telefone und Internet-Dienste funktionierten ebenfalls vorübergehend nicht. Während die Kirchenglocken läuteten, bildeten Demonstranten in Lissabon eine sieben Kilometer lange Menschenkette zwischen den Botschaften von China, den USA, Frankreich, Großbritannien und Russland - den fünf ständigen Mitgliedsländern im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Gleichzeitig drehten Millionen Menschen die Sendung eines lokalen Radiosenders auf volle Lautstärke. Er übertrug Originaltöne von Gebeten und Hilferufen der Opfer in der ehemaligen portugiesischen Provinz.
An dem Protest beteiligten sich sämtliche politischen Parteien von der extremen Linken bis zur Rechten. Portugals sozialistischer Ministerpräsident Antonio Guterres wies in scharfer Form Äußerungen des indonesischen Außenministers Ali Alatas zurück, der die Entwicklung in Osttimor ein "internes Problem" genannt und vor einer militärischen Intervention des Auslands gewarnt hatte. Nach den Worten von Guterres hat Jakarta keine Autorität über Osttimor, da der Weltsicherheitsrat die Annexion durch Indonesien 1976 nie anerkannt habe.
Appell Kardinal Sins
Auch auf den Philippinen ist die gesamte Öffentlichkeit bewegt und bestürzt. Der Erzbischof von Manila, Kardinal Jaime Sin, forderte die philippinische Regierung auf, "moralischen Druck" auf Indonesien auszuüben, "um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten".
Die Regierung in Manila verfolgt derzeit insbesondere die Situation von rund 20 philippinischen Ordensfrauen, die in Osttimor tätig sind. Bisher sollen drei von ihnen gefunden und ausgeflogen worden sein.
Die sofortige Entsendung einer Friedenstruppe nach Osttimor forderten unter anderem auch die beiden großen deutschen Kirchen. Zudem müssten die mordenden Milizen entwaffnet werden und die Geflüchteten in ihre Heimat zurückkehren können, heißt es in einer am Donnerstag in Bonn und Hannover veröffentlichten Erklärung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Wenn nicht schnell wirksame Maßnahmen gegen Mord und Vertreibung ergriffen würden, stehe die Autorität der UNO auf dem Spiel, heißt es in der vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, und dem evangelischen Präses Manfred Kock unterzeichneten Erklärung.
Zusagen zurückgezogen
Unterdessen ziehen sich Indonesiens Verantwortliche immer stärker von vordem gemachten Zusicherungen nach Respektierung des Volkswillens zurück. 78,5 Prozent der Osttimoresen hatten bei dem Referendum von 30. August das Autonomieangebot Indonesiens abgelehnt und sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Seither gehen Milizen mit Unterstützung des indonesischen Militärs gewaltsam gegen die Unabhängigkeitsbefürworter vor.
Der indonesische Gouverneur für Osttimor, Jose Osorio Abilio Soares, erklärte, dass das Unabhängigkeitsvotum der Bevölkerung möglicherweise nicht umgesetzt werde. Falls nämlich die Beratende Volksversammlung Indonesiens dafür stimme, Osttimor nicht an die Vereinten Nationen zu übergeben, werde sich die Regierung entsprechend verhalten, sagte Soares am Donnerstag in Kupang in Westtimor.
Kathpress