Israelischer Franziskaner, der selbst aus jüdischer Familie stammt, plädiert dafür, den Fortschritt in den christlich-jüdischen Beziehungen allgemein bekannt zu machen
Vatikan, 22.3.00 (KAP) Der bevorstehende Besuch Papst Johannes Pauls II. im Holocaust-Museum Yad Vashem ist «als Geste sehr bedeutend», hat der israelische Franziskaner P. David Jaeger in einem Interview für den vatikanische Missionsnachrichtenagentur «Fides» betont. Bedauerlicherweise müsse man aber auch sagen, dass «in Israel die Fortschritte, die es nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den Beziehungen zwischen Katholiken und Juden gegeben hat, fast völlig unbekannt sind», so Jaeger.
Jaeger stammt selbst aus einer jüdischen Familie aus Israel, wo er 1955 geboren wurde. Er trat 1981 in den Franziskanerorden ein und ist Mitglied der Delegation des Heiligen Stuhls bei der Bilateralen Kommission mit dem Staat Israel. Jaeger ist maßgeblicher Mitverfasser der Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel.
Der ungenügende Wissensstand der Israeli über die Lehrentwicklungen in der katholischen Kirche seit dem Konzil sei auch Thema der Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel, sagte der Franziskaner: «Wir wollen uns damit befassen, wie diese großen Fortschritte der jüdischen Bevölkerung bekannt gemacht werden können. Dafür bedarf es entsprechender Erziehungsmassnahmen.»
Der Staat trage eine gewisse Verantwortung für die Verzögerung bei der Vermittlung der neuen Einsichten. Das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel sei 1993 unterzeichnet, aber erst 1999 veröffentlicht worden, beanstandete Jaeger. Die Vereinbarung über den Rechtsstatus der katholischen Kirche in Israel sei im Februar 1999 ratifiziert worden. Jaeger: «Bis heute ist sie noch nicht im offiziellen Amtsblatt veröffentlicht».
Wesentlich sei die Einbindung der Schule, meinte der Vatikandiplomat: «Wir wünschen uns eine Revision über die Art und Weise, in der Christus und die katholische Kirche in den Lehrplänen der Schulen und in offiziellen Ansprachen dargestellt werden, damit die jüdische Bevölkerung wirklich über die aktuellen Fortschritte in den Beziehungen informiert wird. Die katholische Kirche hat seit dem Konzil die Art und Weise revidiert, in der die Juden in der Liturgie, der Katechese und der Theologie erwähnt werden. Dies sollte viceversa auch für Israel ebenfalls gelten.»
Zum Papstbesuch in Israel sagte Jaeger, die jüdische Bevölkerung erwarte den Papst «mit großem Interesse und in einem äußerst positiven Klima». Obwohl der Papst betone, dass es sich bei dem Besuch um eine «Wallfahrt» handle, werde er von den Menschen als Staatsbesuch in Israel betrachtet. P. Jaeger: «Die Bevölkerung möchte dem Papst einen wohlwollenden Empfang bereiten. Man ist sehr neugierig auf die katholische Kirche und deren Glauben. Ich habe bemerkt, dass viele Journalisten, und die Menschen im allgemeinen, den katholischen Glauben als 'unbekanntes Land' betrachten. Er ist etwas Unbekanntes, das Anziehungskraft ausübt.»
Jaeger erinnerte auch an den Negativ-Eindruck, den der Besuch Pauls VI. 1964 in Israel hinterlassen hatte: «Damals gab es noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen Vatikan und Israel. Staatspräsident Salman Shazar musste bis nach Megiddo reisen, um dort zumindest inoffiziell dem Papst begegnen zu können. Die Israeli haben sich lange Zeit durch diesen heruntergespielten Staatsbesuch gekränkt gefühlt. Sie hatten den Eindruck, als ob der Papst sie nicht kennenlernen wollte».
Kritik übte Jaeger an der Bitte des Bürgermeisters von Jerusalem, Ehud Olmert, der Papst möge den Status Jerusalems als «ewige Hauptstadt des Staates Israel» nicht in Frage stellen. P. Jaeger: «Ich unterstütze diesen Fetischismus der 'ewigen Hauptstädte' überhaupt nicht. Die Hauptstädte sind immer geschichtlich und politisch, und nicht ewig. Der Staat Israel hat sich verpflichtet, durch Verhandlungen zu einer gerechten Lösung des Problems zu gelangen. Damit stimmt die Position des Heiligen Stuhls überein». Die Jerusalem-Frage müsse auf internationaler Ebene gelöst werden und nicht unilateral. Ihm sei aber klar - so Jaeger -, dass die vom Vatikan gewünschte Internationalisierung «nicht umsetzbar zu sein scheint».
Kathpress