Genf, 6.9.00 (KAP) Der Weltkirchenrat (ÖRK) hat in einer estern Reaktion auf die jüngste vatikanische Erklärung «Dominus Iesus» die Bedeutung des «echten ökumenischen Dialogs» und des gemeinsamen Zeugnisses der Christen in der Welt von heute betont. Es sei eine «Tragödie», wenn dieses gemeinsame Zeugnis durch Diskussionen der Kirchen über ihren jeweiligen Status und ihre jeweilige Autorität verdunkelt würden, hieß es in Genf. Alle Kirchen hätten vom Eintritt der römisch-katholischen Kirche in die ökumenische Bewegung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil «enorm profitiert».
In der Ökumene gäbe es heute sehr verständnisvolle Gespräche über die Beziehungen der Kirchen untereinander. Diese Dialoge sollten nicht durch einen Sprachgebrauch beschädigt werden, der eigentlich darauf hinauslaufe, die weitere Diskussion dieser Themen zu unterbinden.
«Reise in die Vergangenheit»?
Der Präsident der Protestantischen Föderation Frankreichs, Pastor Jean-Arnold de Clermont, hat kritisch zum neuen vatikanischen Dokument «Dominus Iesus» Stellung genommen. «Ich bin erschrocken, einen derartigen Text heute zu lesen - ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr, in dem alle Christen sich an die Geburt Christi erinnern. Da hätten wir eigentlich aus Rom etwas anderes erwartet», sagte Clermont in einem Interview mit dem «Doyen der französischen Religionsjournalisten», Henri Tincq («Le Monde»).
Arnold weiter: «Beim Lesen des Dokuments glaubt man an einer Reise der katholischen Kirche zurück in die Vergangenheit teilzunehmen. Sie versucht ein weiteres Mal uns glauben zu machen, dass sie im Alleinbesitz der Wahrheit ist, und sie beschlagnahmt das Heil der Menschen». Denn zu behaupten, die Kirchen der Reformation seien nicht Kirchen wie die anderen, komme einer «Beschlagnahme» gleich.
Clermont betonte, dass der Wille zur Ökumene bei den reformatorischen Kirchen trotzdem intakt bleibe. Allerdings müsse klar gesagt werden, dass die Protestanten dringend auf ein klares Bekenntnis zur Ökumene seitens der Führung der katholischen Kirche warteten.
Altkatholiken: «Hindernis für Ökumene»
Die alt-katholische Kirche in Deutschland bewertete die Vatikan-Erklärung als schwerwiegendes Hindernis der Ökumene. Mit ihr «dürften einstweilen alle ökumenischen Hoffnungen» auf einen «einigermaßen inhaltlich ausgewogenen, vom Geist der Partnerschaft bestimmten Dialog mit Rom» begraben sein, erklärte der Bischof der Altkatholiken in Deutschland, Joachim Vobbe, am Mittwoch in Bonn. Es werde immer deutlicher, dass der Vatikan nur eine Ökumene anstrebe, die andere Kirchen unter die päpstliche Oberherrschaft bringen wolle.
Vobbe bedauerte, dass sich diese Haltung mit Zitaten aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) «unterfüttern» lasse. Dessen «spannungsreiche Äußerungen» schienen zumindest teilweise den Alleinvertretungsanspruch der römischen Kirche zu bestätigen, sagte der Bischof. Durch die Erklärung werde immer deutlicher, dass der alt-katholische Protest gegen die beim Ersten Vatikanischen Konzil (1869-1870) beschlossenen Dogmen der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimats des Papstes noch lange nicht erledigt sei.
Italiens Juden kritisch
Als Gefahr für den jüdisch-christlichen Dialog hat der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden Italiens, Amos Luzzatto, das jüngste Vatikan-Dokument «Dominus Iesus» bezeichnet. «Es sieht fast so aus, als ob bestimmte Sektoren der Kirche Bedingungen schaffen wollten, so dass die Juden nicht mehr am Dialog teilnehmen können», sagte er in einem Interview mit der Turiner Tageszeitung «La Stampa» am Mittwoch. Die Existenz Jesu werde im Judentum nicht bestritten. Das Problem sei seine Göttlichkeit sowie die Aussage, seine Existenz in der Geschichte sei bestimmend für alle Menschen. Luzzatto äußerte die Vermutung, dass möglicherweise in manchen vatikanischen Kreisen der Eindruck entstanden sei, der Papst sei bei seinem Besuch in Israel zu weit gegangen. Nach den bewegenden Gesten des Papstes an der Klagemauer seien die hinter diesem Dokument stehende Haltung, aber auch die Seligsprechung von Pius IX. vom letzten Wochenende unverständlich.
«Wer Kirche ist, entscheidet die Bibel»
Kritik an der Vatikan-Erklärung übte auch die Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Margot Käßmann. Wer die Kirche Jesu Christi sei, entscheide nicht die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre, sondern nach evangelischem Verständnis die Bibel, erklärte Käßmann am Mittwoch in Hannover. Die Bischöfin wörtlich: «Wir lassen uns unsere kirchliche Existenz nicht von der katholischen Kirche in Rom absprechen, während wir gleichzeitig in Deutschland entschlossen Schritte aufeinander zugehen». Sie gebe deshalb ihre Hoffnung auf eine ökumenische Zukunft nicht auf, fügte die Bischöfin hinzu.
Kathpress