Vatikanstadt, 25.10.01 (KAP) Papst Johannes Paul II. hat der Volksrepublik China die Normalisierung der seit rund 50 Jahren unterbrochenen Beziehungen angeboten. Vor dem Hintergrund der jüngsten internationalen Spannungen würde dies der gesamten Menschheit nutzen, erklärte der Papst in einer vom Vatikan veröffentlichten Botschaft. Ausführlich entschuldigte sich der Papst in dem Text für die Fehler der katholischen Kirche in China während der Vergangenheit. Er bat das chinesische Volk um Verzeihung für alle Verletzungen von Seiten von Christen in jener Epoche, in der sich die Kirche mitunter zu sehr in den Schutz der damaligen Kolonialmächte begeben habe. Die Kirche dürfe keine Angst vor der historischen Wahrheit haben, betonte der Papst. Der Text Johannes Pauls II. wurde anlässlich eines in Rom tagenden Kongresses europäischer und chinesischer Wissenschaftler über den italienischen China-Missionar P. Matteo Ricci SJ (1552 - 1610) veröffentlicht.
Der Papst erinnerte in seiner Botschaft daran, dass sowohl China als auch die katholische Kirche zu den ältesten Institutionen der Menschheit gehörten und dass sie jeweils über eine Milliarde Menschen zu ihren Söhnen und Töchtern zählten. Ausdrücklich würdigte Johannes Paul II. die jüngsten Fortschritte der Volksrepublik auf wirtschaftlichem, sozialen und politischem Gebiet. Der Kirche lägen dieselben Werte und Ziele am Herzen, die auch das moderne China fördern wolle, nämlich Solidarität, Frieden, soziale Gerechtigkeit und ziviler Fortschritt unter allen Völkern. Für sich verlange die Kirche von den politischen Behörden keine Privilegien, sondern bitte nur darum, den Dialog wieder aufnehmen zu können, um zu einer Beziehung des gegenseitigen Respekts zu gelangen.
Der Papst wiederholte in seiner Botschaft das Angebot der katholischen Kirche, ihren uneigennützigen Beitrag zum Wohl der chinesischen Katholiken wie aller Bewohner des Landes zu leisten. Er erinnerte an viele sozialen Initiativen, insbesondere im Erziehungsbereich und im Gesundheitswesen, die von der chinesischen Bevölkerung gerne akzeptiert worden seien.
Der Kongress zum 400. Jahrestag der Einreiseerlaubnis für P. Ricci wird von der römischen Gregoriana-Universität in Zusammenarbeit mit dem in Mailand ansässigen Italienisch-Chinesischen Institut organisiert, in dem der italienische Senator Giulio Andreotti zu den treibenden Kräften zählt. Ricci, so der Papst, sei ein "wertvolles Bindeglied zwischen Okzident und Orient, zwischen europäischer und chinesischer Kultur". Indem er eine chinesischen Terminologie für Begriffe der katholischen Theologie und Liturgie entwickelte, habe er sich um die Inkulturation verdient gemacht und die Voraussetzungen für eine Kenntnis von Christus, vom Evangelium und der Kirche in der chinesischen Kultur geschaffen.
Zwei Kongresse
Der Kongress an der Gregoriana-Universität in Rom steht unter dem Titel "Matteo Ricci: Für einen Dialog zwischen China und dem Westen". Bei dem Kongress spricht neben europäischen und chinesischen Wissenschaftlern auch der französische Kurienkardinal Roger Etchegaray. Vom 14. bis 17. Oktober hatte in Peking ein ähnliches Wissenschaftlertreffen über Wirken und Bedeutung Riccis stattgefunden.
Peking prüft Angebot des Papstes
Das Angebot des Papstes, die Beziehungen zur Volksrepublik China zu normalisieren, werde von der Regierung in Peking geprüft, erklärte am Donnerstag ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Peking sei unter bestimmten Bedingungen bereit, die Beziehungen zum Vatikan baldmöglichst zu verbessern. Zugleich wiederholte der Sprecher die bekannten Voraussetzungen, wonach der Vatikan seine diplomatischen Beziehungen zu Taipeh abbrechen müsse und sich nicht in die "inneren Angelegenheiten Chinas einmischen" dürfe.
Ein Sprecher der regimetreuen patriotischen Kirche in China wertete das in der Papstbotschaft enthaltene Schuldeingeständnis des Papstes für Fehler der Kirche in der Kolonialzeit als einen wichtigen Fortschritt.
Chinas Kirche reagiert erfreut
Ein Mitarbeiter der - "patriotischen" - Diözese Peking sagte auf Anfrage, viele Priester und Gläubige hätten die Worte und die Wertschätzung des Papstes für das chinesische Volk mit großer Dankbarkeit gehört. "Jetzt gibt es Hoffnung, dass sich für die Kirche in China vieles verbessern wird", meinte der Sprecher. In den chinesischen Medien wird das Thema weder im Rundfunk noch in den Tageszeitungen diskutiert.
Das nationalchinesische Außenministerium auf Taiwan unterstrich in einer in Taipeh veröffentlichten Erklärung, dass es in China nach wie vor keine Religionsfreiheit gebe. "Wir unterhalten gute Beziehungen mit dem Vatikan, und daran wird sich auch nichts ändern", wird in der Erklärung zudem unterstrichen. Die Regierung gehe davon aus, dass die Nuntiatur in Taipeh verbleibe. Aus Kreisen der Bischofskonferenz in Taiwan verlautete, die Kirche der Insel, die von China als abtrünnige Provinz betrachtet wird, werde sich dem Vatikan bei einer möglichen Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Peking nicht in den Weg stellen.
Taiwan begrüßt Angebot des Papstes
Der nationalchinesische Vatikan-Botschafter Raymond R.M. Tai sagte am Donnerstag am Rande der Ricci-Tagung in Rom, seine Regierung begrüße die jüngsten Bemühungen von Johannes Paul II. um eine Annäherung zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China. "Wir hoffen, dass die von seiner Heiligkeit gezeigte demütige Haltung vom chinesischen Volk überall auf der Welt als eine freundliche Geste interpretiert wird", meinte der Botschafter
Weiter erklärte Tai, die Regierung in Taipeh wäre glücklich, wenn es zu einer "Wiederaufnahme des Dialogs zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China" käme, mit dem Ziel, die Religionsfreiheit auf dem chinesischen Festland zu fördern. Seine Regierung hoffe, dass die katholische Kirche auf Taiwan als eine "Brücke" zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik dienen könne.
Ricci als gemeinsamer Bezugspunkt
Der in Washington lehrende katholische China-Historiker P. John Witek SJ erklärte, das starke Interesse in China an der Person Matteo Ricci zeige, dass es gemeinsame Bezugspunkte für beide Seiten gebe. Die Überwindung der gegenwärtigen Konflikte sei nur möglich, wenn die historischen Vorgaben aufgearbeitet würden.
Witek, der in der vergangenen Woche an einem Ricci-Kongress in Peking teilgenommen hatte, berichtete, dass er in der Volksrepublik Anzeichen für eine Bereitschaft zur Öffnung sehe. So sei der Pekinger Kongress vom 14. bis 17. Oktober erstmals von einer katholischen Institution des Westens - dem Ricci-Institut in San Francisco - und von der chinesischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam ausgerichtet worden. Ferner hätten an dem Kongress Wissenschafter aus allen Teilen Chinas, einschließlich Hongkong und Taiwan, teilgenommen.
Kathpress
25. oktober 2001